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Glück, Glück, Glück . . . Aaaah

Zum Sinngehalt der Kneipen-Kampagne „Saufen gegen rechts“. Ein Lokaltermin

Saufen gegen rechts ist auch nichts weiter als Saufen. Und dabei irgendwie nicht rechts sein zu wollen sein. Nicht rechts zu sein, heißt aber noch lange nicht, sonstwie politisch oder gar links zu sein. Zu dem Schluss kommt man, wenn man eine der Veranstaltungen der Initiative „Saufen gegen rechts“ besucht.

Am Freitag fand – im Rahmen der Antifaschistischen Aktionswoche – ein solches „Saufen gegen rechts“-Spektakel im Absinth in der Dunckerstraße statt. Es war nicht das erste dort, und wird wohl nicht das letzte bleiben. Das Absinth ist eine mäßig hübsche Kneipe, mit der in Prenzlauer Berg obligatorischen Mischung aus Gemütlich- und Jugendlichkeit, in der das Wort „anständig“ noch eine Bedeutung hat. Das stört niemanden – entsprechend gut waren die Räume gefüllt.

Veranstaltungen wie das „Saufen gegen rechts“ sind zunächst Medienereignisse. Beim letzten Mal war ein Autor der Jungle World da, diesmal ein französischer und ein spanischer Fernsehsender sowie der Autor dieser Zeilen. Doch was bedeutet eigentlich eine Veranstaltung, in der das Bier etwas teuerer ist, die Musik wie überall (Marley, Blues Brothers, Propellerheads), und bei der man Anbaggersprüche hören kann? Was ist daran politisch, wenn da nichts als konsumiert wird?

Der Werbespruch „Falls sie schon immer etwas gegen rechts machen wollten, aber nicht wussten, was!!!“ findet sich auf der Homepage saufen-gegen-rechts.de und zeigt die ganze politische Hilflosigkeit der Aktion. Zwar spendet man das durch den erhöhten Bierpreis erwirtschaftete Geld an eine Opferorganisation. Zwar trägt man das zur Aktion gehörende T-Shirt. Doch weiter will man nicht aus seinem Alltag herausgerissen werden.

Unter den an der Aktion beteiligten Kneipen findet man keine explizit politische Orte: weder die Köpi noch die Kastanie, weder das Kato noch der Fischladen oder der Mehringhof sind vertreten. Bei der Mehrheit der an der Aktion beteiligten Kneipen muss man dagegen befürchten, dass eine Antifa-Versammlung dort gar nicht erwünscht wäre. Also ist „Saufen gegen rechts“ nicht wirklich links.

Ist es dann wenigstens gegen rechts? Besucht man die Website, so öffnet sich zunächst ein Startfenster, auf dem ein Bierglas entleert wird. Der Sound dazu entspricht dem der „Glück, Glück, Glück“-Diebels-Werbung und endet mit einem satten „Aaah . . .“ Das heißt wohl, dass man satt ist. Und guten Gewissens, weil man sich beim Erwerb des Bieres durch einen geringen Aufpreis in einen Spender verwandelt hat.

Die Frage, warum man nicht gleich den vollen Bierpreis spendet, stellt sich nicht. Vielmehr geht es beim „Saufen gegen rechts“ um die Sättigung sowohl des Gewissens als auch der Leber. Das signalisiert nicht mehr, als dass man glücklicher Teil der Neuen Mitte bleiben will. In punkto Sebnitzbewältigung, Green-Card-Kampagne und der Rede von „hohen Ausländeranteilen“ heißt das aber: man geht mit der derzeitigen Abschieberegierung konform.

Tja. Wenn man das für „gegen rechts“ hält, dann saß man am Freitag im Absinth, hat anständig Bier getrunken oder Caipirinha und Wein, hat vielleicht ein wenig zu Ray Charles getanzt, geschwätzt und gebaggert, war einen Anhauch lang „politisch“ und ist schwer glücklich nach Hause gewankt. Und hat es wieder nur ganz knapp vermieden, zur Demo, zum Vortrag oder in die Bibliothek zu gehen.

Wer das Ganze allerdings für auch nicht besser hält als einem Wohltätigkeitsball zugunsten der Obdachlosen unter der Schirmherrschaft von Bundespräsident Johannes Rau, der ist bereits früh gegangen. Oder, besser noch, dem Ganzen gleich ferngeblieben.

JÖRG SUNDERMEIER

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