■ Glosse: Bonner Plätzchen
Damit die Bonner Bundesbediensteten nach ihrer kollektiven Zwangsumsiedlung in die Hauptstadt nicht wieder abhauen, schlägt die Initiative „Bonn sei Dank“ vor, die Verkehrsinsel vor dem Brandenburger Tor in „Bonner Platz“ umzutaufen. Dort, so der Hintersinn, können die Aussiedler sich zu Gedenkminuten und Sit-ins á la „Ich steh' auf Bonn“, zur Traditionspflege mit frisch importiertem Kölsch oder gar zu Folkloremeetings treffen. Der „Bonner Platz“ wird zur Anlaufstation der ewig westdeutsch Gestrigen sowie der ungefährlich Unzufriedenen – und die Berliner Schnauze wird den Ort „Platz der rheinischen Sauerbraten“ nennen.
Daß man es mit dem Heimweh jetzt ernst nehmen muß, ist eine klare Sache. Viel zu lange hat sich die Stadt gedrückt vor direkten Ortsumwidmungen für andere Völker und sich nur allgemein verschanzt hinter „Afrikanische Straße“ oder so ähnlich. Nun soll das an den Bonnern wiedergutgemacht werden. Zur Erlebnisdichte und der Bekundung des guten Willens sind schon einmal Wochenendfahrten für Jugendliche vom Rhein geplant. Die Kosten dafür übernehmen private Spender. Wenn das nichts ist.
Einer Steigerung der Umbenennungseuphorie von „Bonn sei Dank“ käme gleich, setzten die Initiatoren noch einen drauf: Zweifellos könnte der Ernst-Reuter-Platz in Hofgarten, der Palast der Repubik in Beethovenhalle, der Reichstag endlich in Bundestag oder eine Neubausiedlung für die Staatsdiener in „Klein Bonn“ umgetauft werden. Und wann die Stadt ganz aufgegeben wird, ist nur eine Frage der Zeit. Rolf Lautenschläger
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