Glosse Viktor Orbáns Familienpolitik: Der Erretter des Vaterlandes
Gebärfreudige Ungarinnen sollen vom Staat belohnt werden. Regierungschef Orbán kann ja nicht zulassen, dass es immer weniger Ungarn gibt.

I m Kampf ums Überleben der stolzen magyarischen Nation macht Ungarns rechtslastiger Regierungschef Viktor Orbán nicht einmal mehr vor den Schlafzimmern seiner Landsleute halt. Die haben zwar Sex (nehmen wir zumindest einmal an), aber dieser ist nicht nachhaltig genug. Um die Gebärfreude zu erhöhen, sollen Ungarinnen, so sie denn der Erfüllung ihrer ehelichen Pflichten sichtbar erfolgreich nachkommen, mit Krediten und Steuervergünstigungen belohnt werden.
In den Genuss dieses Nachspiels kommen allerdings nur diejenigen, die zum ersten Mal vor den Traualtar getreten sind – eben ganz im Sinne guter christlicher Moral und Tradition oder zumindest dessen, was Orbán dafür hält.
Nun ist es ja nicht so, dass überschaubare Geburtenraten ein Alleinstellungsmerkmal Ungarns wären. Allerdings sind hier die Folgen fatal, da unzählige, vorzugsweise muslimische Flüchtlinge (deren Existenz in Ungarn nicht überliefert ist) gemäß eines heimtückischen Plans des US-Milliardärs George Soros das Land gezielt unterwandern.
Da ist es also wieder, das Narrativ des Viktor Orbán, des Erretters und Verteidigers des Vaterlandes. Wo käme man denn auch hin, würden die Ungarn zur Minderheit im eigenen Land. Denn schön ist das Minderheitendasein in Ungarn nicht, wie die meisten Roma sicher bestätigen können. Sie, die Ausgegrenzten, sind auch keinesfalls die Zielgruppe von Orbáns Müttergratifikationen.
Ob die Belohnung fürs Gebären den gewünschten Effekt hat, ist ohnehin mehr als fraglich. Vielfach sind es die prekäre soziale Situation und die als unsicher empfundene Zukunft, die vielen UngarInnen Fortpflanzungsabsichten austreiben. Daran dürfte auch die Aussicht auf den staatlich begünstigten Kauf eines Vans wenig ändern, der ja auch nicht mit Wasser fährt.
Vielleicht sollte Orbán Gratisfahrten in seiner privaten Schmalspurbahn durch seinen Geburtsort Felcsút ausloben, die die EU mal eben mit zwei Millionen Euro gefördert hat und die fast niemand benutzt. Freie Plätze gibt es dort genug – vor allem für Familien.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Comeback der Linkspartei
„Bist du Jan van Aken?“
Nach Taten in München und Aschaffenburg
Sicherheit, aber menschlich
CDU-Chef Friedrich Merz
Friedrich der Mittelgroße
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Klimaneutral bis 2045?
Grünes Wachstum ist wie Abnehmenwollen durch mehr Essen