Globaler Klimawandel: Die Erde bekommt Schüttelfrost
2011 war in Deutschland eines der wärmsten Jahre seit der Temperaturaufzeichnung. Das Wetter wird extremer: Regen und Stürme nehmen weltweit zu.
BERLIN taz | Paul Becker, Vizepräsident des Deutschen Wetterdienstes, fordert mehr Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel. Deutschland könne dabei zeigen, dass sich Klimaschutz auch wirtschaftlich lohnt. „Kein Land wird von den Folgen des Klimawandels verschont bleiben, kein Land kann diese Herausforderung alleine stemmen“, sagte er.
Denn die Temperaturen zeigen nach wie vor nach oben: Gemessen an den Durchschnittstemperaturen von 1961 bis 1990, war es 2011 mit durchschnittlich 8,2 Grad Celsius hierzulande 1,4 Grad wärmer als normal. Global stagnieren die Temperaturen zwar seit zehn Jahren, aber das entspricht der natürlichen Varianz des Klimas.
Verlässlicher zeigt sich die globale Erwärmung in langfristigen Beobachtungsreihen: Von den vergangenen 30 Jahren waren weltweit 28, in Deutschland 24 wärmer als normal. Auch vor den historischen Temperaturaufzeichnungen ab Mitte des 19. Jahrhunderts war es in der Geschichte der Menschheit nie so warm wie heute. Das haben Dutzende von Forschungsgruppen mittlerweile unabhängig voneinander etwa anhand von Eisbohrkernen oder Baumringen rekonstruiert.
Die Folgen der allmählichen Erwärmung sind vor allem mehr Extremwetterlagen. Anhand einer Auswertung globaler Klimadatenbanken, weltweiter und eigener Forschungsergebnisse kommt Klaus-Jürgen Schreiber, Leiter der Abteilung Klimaüberwachung des DWD, zu dem Schluss: Die Hauptwindsysteme der Erde verlagern sich zu den Polen hin – seit Mitte des 20. Jahrhunderts bereits um 180 Kilometer.
Damit werden Winter tendenziell milder und regenreicher. Vor allem heftige, kurze Regenfälle und Überschwemmungen nehmen damit zu. Im Sommer wird es trockener.
Jetstreams und Starkwinde
Während es in Deutschland heute im Schnitt 1,2 Grad wärmer ist als in den vergangenen Jahrzehnten, ist der Klimawandel in der Arktis deutlich dramatischer: Hier ist die Temperatur im Schnitt um 4 Grad angestiegen. Der Eisschild ist heute im Sommer nur noch halb so groß wie vor 40 Jahren.
Im Fachmagazin Proceedings of the National Academy of Sciences veröffentlichten Wissenschaftler des Georgia Institutes of Technology, dass damit extreme Wetterlagen auch in Europa wahrscheinlicher werden. Wenn sich die Temperatur zwischen den Polen und niedrigeren Breitengraden angleicht, schwächen sich sogenannte Jetstreams wie ein schwächer gespanntes Gummiband ab.
Jetstreams sind Starkwinde, die unter anderem von Kanada über Europa bis nach Nordjapan auftreten. Dadurch entstehen neue Wetterlagen, die kalte und wegen des geringeren Meereises feuchtere Luft weiter südlich transportieren können. Es kommt also häufiger zu heftigen Wintereinbrüchen. So gab es 2009/2010 in den USA, Norwegen und Großbritannien den kältesten Winter seit über 20 Jahren – als Folge der globalen Erwärmung.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Landesparteitag
Grünen-Spitze will „Vermieterführerschein“
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Frauen in der ukrainischen Armee
„An der Front sind wir alle gleich“