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Gletscher-Tour in IslandEin Blick ins Innere des Langjökull

Ein künstlicher Tunnel führt Besucher in die Tiefe des zweitgrößten Gletschers in Island. Ein Highlight für Touristen.

Eingang in den künstlich angelegten Gletschertunnel Foto: imago/imagebroker

Die ersten Meter hin­ein in das kalte Herz sind die schwierigsten. Es gilt, nicht zögerlich zu sein, sondern besonders schnell. Am Langjökull angekommen muss der Besucher aus dem Monstertruck herausspringen, den schweren Vorhang des Tunneleingangs beiseiteschieben und auf 1.260 Meter Höhe rasch in die Röhre hineinlaufen. Denn wegen des starken Schneesturms ist es fast unmöglich, draußen stehen zu bleiben – zu groß ist die Gefahr, einfach umgepustet zu werden.

„Into the Glacier“ heißt die Tour, in der die Touristen direkt in den mit 953 Quadratkilometern zweitgrößten Gletscher Islands hineinspazieren können. Langjökull sei für das Projekt deswegen so gut geeignet, weil er flach ist. Wie ein Uhrenglas wölbt sich dieser Gletscher über die Insel.

Seit 2015 nun wird diese auf der Insel einmalige Tour angeboten. Nach vier Jahren Planungen, Bohrungen und Grabungen wurde der künstliche Tunnel durch den Gletscher eröffnet. Herausgekommen ist ein herzförmiger Tunnel, der Einblicke in eine sonst verborgene Unterwelt gibt, die man so nicht mehr vergisst.

Mit ihrem Projekt wollen die Macher auch das Bewusstsein für die Eiskolosse herstellen. Infotafeln im Tunnel zeigen, wie schnell die Gletscher weltweit abschmelzen, sollte die Menschheit weiterhin so fahrlässig mit ihrer Umwelt umgehen. Laut Touranbieter haben sich schon Hunderttausende Menschen den Gletscher von innen angeschaut.

Allein die Fahrt zum Langjökull ist ein Event. Der Weg wird in einem riesigen Transporter zurückgelegt, der einst der Nato gehörte und Sprengköpfe transportierte. Nach eigenen Angaben haben die Veranstalter das Gefährt in England ersteigert und speziell für diese Tour eine Buskabine draufgeschraubt, um damit jeweils 35 Personen befördern zu können.

Der Eingang

Rund eineinhalb Stunden walzt und ruckelt der Monsterjeep erst durch eine felsig-grüne Landschaft im zentralen Hochland, die immer verschneiter wird, bis irgendwann alles nur noch weiß ist und das Ungetüm vor einer aus dem Schnee ragenden großen Röhre haltmacht: das Eingangstor zum Gletscher.

Das Vordringen in die Tiefe wird mit Superlativen beworben: „einzigartig!“ – „ein­malig!“ – „unvergesslich!“. Zwar trifft all das zu, was aber auch zutrifft, ist der einschlagende Preis. Wer die Tour etwa mit einer anschließenden kurzen Besichtigung der Natur in der Umgebung bucht, zahlt umgerechnet satte 250 Euro. Klar, Island ist ein Hochpreisland, aber der Preis schmerzt dennoch. Zumal die Anfahrt und die Rückreise die meiste Zeit des Erlebnisses in Anspruch nehmen.

Der Gletschertunnel ist immer in Bewegung, friert, schmilzt, es entstehen Risse

Die ganze Tagestour dauert etwa neun bis elf Stunden. Ganz abgesehen davon, dass die großartige Natur und Weite Islands immer mehr Touristen anziehen und diese sogar außerhalb der Saison die überschaubare Hauptstadt Reykjavik regelrecht überfluten, so ist auch diese Tour kein „Geheimtipp“. Ganz im Gegenteil: Der Ausflug wird massiv beworben. Kein Wunder, dass es fast immer rummelig ist, die Touristen drängen durch den Gletscher, und wirklich Zeit und Ruhe gibt es nicht, um diese Schönheit zu genießen oder gar auf sich wirken zu lassen.

Etwa eine Stunde dauert die Tour unter Tage, dazu gehören auch das Anschnallen von Eisketten unter die Schuhe und das Abwarten, bis wirklich alle damit fertig sind, und manche noch in die zwei Toilettenhäuschen eilen, die am Beginn der Tour bereitstehen.

Nicht allein

Eigentlich würde man immer wieder gern einfach stehen bleiben wollen, durchatmen, das Eis mit den Fingerspitzen fühlen wollen, die Augen schließen und murmeln: „Wie wunderbar hier.“ Doch es steht ganz sicher ein anderer Tourist neben einem, der mit seinem Smartphone ein Selfie macht oder sich von seiner Begleitung mit einer Kamera fotografieren lässt.

Und dennoch ist es natürlich ­sehr beeindruckend zu sehen, was für eine Naturgewalt solch ein Koloss ist. Der Gletschertunnel ist immer in Bewegung, friert, schmilzt, es entstehen Risse. In eine Wand wurden drei Löcher gebohrt, die sich seitdem ganz langsam ins Oval verschoben haben und die so die Dynamik des Gletschers deutlich zeigen.

Kann man zu Beginn noch ganze Eiskristalle an den schimmernden Wänden sehen, verändert sich die Struktur des Schnees mit zunehmender Tiefe. Der Firn, so das Fachwort für den Gletscherschnee, verliert durch zunehmenden Druck den Sauerstoff, wodurch das spezielle klare Gletschereis entsteht.

Die Wachsumszonen

Da hinter die äußeren ­Eisschichten LED-Lampen angebracht wurden, gibt es zusätzlich bläulich-weiß-schimmernde magische Lichtreflexionen. An manchen Stellen ist das Eis mit feinen Verästelungen durchzogen, die wie die Jahresringe eines Baums anzeigen, wie der Gletscher gewachsen ist.

Am tiefsten Punkt des Rundgangs, 45 Meter unter der Gletscheroberfläche, wurde eine der Höhlen als Kapelle angelegt. Als Altar dient ein Eisklotz, natürlich sind auch die Bänke aus Eis. Hier finden Musikkonzerte statt, und auch Paare haben schon hier inmitten der eisigen Kälte geheiratet.

In etwa zwanzig Jahren, so die Reiseführerin, soll der Gletscher wieder vollständig der Natur überlassen werden – so, als sei nie ein Mensch hier drinnen gewesen. Bis dahin werden im Langjökull noch Momente für die Ewigkeit angeboten.

Weitere Infos: www.intotheglacier.is

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