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GlaubensbekundungDer hässliche Deutsche

Wenn Jesus auf die Erde käme, würde er sich auf diese schrecklich dummen Menschen erbrechen.

Froh ist er auf Weihnachtsmärkten, der hässliche Deutsche, denn dort ist er unter sich. Bild: dpa

Wenn man die Tage einen deutschen Weihnachtsmarkt besucht, dann findet man ihn in Rudeln um einen Stehtisch gescharrt, er trägt eine grüne Jacke mit Katzenfell an der überdimensionierten Kapuze, eine im Abendland von Kindern genähte Weihnachtsmannmütze aus dem Ein-Euro-Laden auf dem Kopf, er riecht nach Glühwein und Jägermeister und Knoblauch und Wurst, er ist laut und er ist hässlich, so hässlich, dass man darunter leidet, dieselbe Nationalität zu besitzen, er ist: DER HÄSSLICHE DEUTSCHE.

Der hässliche Deutsche kommt in der kalten Jahreszeit in eine Stimmung, die ihm vielleicht der Glühwein oder auch das Weihnachtsfest eingibt, in der er am liebsten nur unter sich, also mit anderen hässlichen Deutschen, sein möchte. Er möchte mit anderen hässlichen Deutschen um einen Tisch stehen und dabei dumm sein, so dumm, dass die Erde sich eigentlich auftun und ihn verschlingen müsste, denn die geballte Dummheit sollte eine Beleidigung für die Schöpfung darstellen. Dieser hässliche Deutsche ist gegen alle, die nicht sind wie er, hässlich, dumm und deutsch.

Er redet in seinem Wahn gegen alles an und er beschuldigt alle, die ihm anders vorkommen als er sich selbst vorkommt (und in seiner grenzenlosen Dummheit glaubt er von sich selbst, er wär irgendwie gut oder es würde ausreichen deutsch zu sein, um gut zu sein), der Kriminalität, des Egoismus und der Faulheit. Er denkt, dass ihm irgendetwas an diesem Konstrukt Deutschland gehört oder zusteht, weil er hier geboren ist.

Er denkt, nur weil wir ihn hier aushalten, trotz seiner Hässlichkeit, seiner Fellkapuze, seines Glühweinatems und seiner erschreckenden Dummheit, sollten wir andere Leute, die keinesfalls dümmer oder hässlicher sind als er (was auch kaum möglich ist), die nur zufällig woanders geboren sind und andere Gedanken in ihrem Kopf tragen, die andere Augen haben und andere Sachen glauben, als er, sollten wir die nicht hier reinlassen. In dieses Land. Weil dann nämlich er hier um seinen Glühweinstand fürchtet. Um seinen Weihnachtsmann, den sie in Taiwan zusammengelötet haben, um seine Tradition der amerikanischen Weihnachtsfilme und um irgendwas, was er auch nicht weiß, was aber irgendwie was sehr Deutsches sein soll. Irgendwie Tradition, Christlichkeit oder sowas. Auch wenn er keine Kirchensteuer mehr zahlt, seit der Konfirmation keine Kirche mehr von innen gesehen hat und ihm christliche Werte weder bekannt noch lebenswert scheinen.

In Braunschweig haben an einem Dienstag ein paar Männer eine junge muslimische Frau mit dem Auto angefahren. Das Gute an der Sache ist, es gab Leute, die der Frau beigestanden haben und die Männer verjagt haben. Gute, schöne Deutsche. Die meinen, wenn vier Männer eine junge Frau mit einem Auto absichtlich anfahren und sie dann zu viert bedrohen, dass das möglicherweise falsch sein könnte. Und die es dann wagen, sich dagegen auszusprechen. Gute, schöne Deutsche. Ein kleiner Trost. Ein ganz kleiner Trost.

Denn Tausende rennen bei Pegida rum. Und Hass auf dem Weihnachtsmarkt. Widerlicher Glühwein, widerliche Gespräche, irgendwer soll die Ängste der Menschen doch mal ernst nehmen. Welche Ängste welcher Menschen? Erzähl das mal der Muslimin aus Braunschweig, ach nein, die ist ja nicht gemeint. Gemeint ist vielmehr die Angst der vier Männer vor der Muslimin. Wenn die so eine Frau mit Kopftuch rumrennen sehen, dann verängstigt die das total, dann müssen die die anfahren. Da muss man, da muss die Politik doch auch mal Verständnis zeigen, dass die Leute da ein bisschen zur Körperverletzung neigen. Oder was anzünden wollen, wie in Bayern, nicht wahr?

Wenn Jesus auf die Erde käme, und sähe eure hässlichen Hackfressen, er würde sich auf euch alle, das ist nämlich mein persönlicher Glaube, in einem gewaltigen Strahl erbrechen.

Katrin Seddig ist Schriftstellerin und lebt in Hamburg, ihr jüngstes Buch, „Eheroman“, erschien 2012 bei Rowohlt. Ihr Interesse gilt dem Fremden im Eigenen.

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14 Kommentare

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  • Ich denke, wenn Jesus auf die Erde käme, würde er sich nicht mehr als Frau Seddig übergeben müssen. Das ist denn auch genug - finde ich. Denn es ist hier wie überall: es gibt solche und solche, auch wenn einige der unseren dabei um einiges dreister sind, sobald sie in Rudeln ab einfacher Mehrheit auftreten.

  • Wunderbarer Text Katrin Seddig !!! Das unterschreibe ich so wie es da steht und ist voll und ganz meine Meinung.

    Trotzdem möchte ich nicht alle über einen Kamm scheren, gibt ja auch ei paar wenige Ausnahmen. Nur leider fallen die gar nicht auf.

  • Die Weihnachtsmannmütze aus dem 1 Euro Shop kommt garantiert aus dem Morgenland. War mir nur so aufgefallen, ist wohl unabsichtlich was durcheinadergeraten.

     

    Ansonsten: Weihnachtsmark ist so eine Sache. Die Kinder mögen es wenn man mit ihnen drüberschiebt besonders wenns zum Abschluss noch ne Pommes gibt.Es darf allerdings nicht regnen.

    An den Stehtischen stehen mal Idioten, mal nicht - Menschen halt.

    Ich stehe da nie, da ich mit Glüwein, Lumumba & Co. absolut nix mehr anfangen kann seit - ja seit ich als Teenager davon mal fürchterlich...

     

    ...und da wären wir wieder am Ende der Geschichte.

  • Frau Sedding und ihr psychologisches Problem: 1 Sie mag sich nicht. 2 Sie mag die Menschen nicht. 3 Sie mag die Deutschen nicht. Belohnungseffekt liegt bei Punkt 3. Dafür bekommt man von ähnlich gestrickten Zeitgenossen immer positive Rückmeldungen. Was wiederum verstärkend wirkt. Fazit: Gruseliger frühsiebziger Artikel mit dem man die Nazivergangenheit der Eltern anprangert. Grundsätzlich denke ich aber, dass Frau S. noch nicht viel in der Welt rumgekommen ist. Derartige Verhaltensweisen und Äußerungen gibt es überall, (ohne Glühwein).

  • Typisch deutsch diese Glaubensbekundung. Die Deutschen können wohl nicht anders, sie müssen sich immer "besser" fühlen als Andere.

    Ja, so sind sie, immer die Besseren. So "besser" waren sie schon immer. Und dabei völlig humorlos und schlecht gelaunt.

    Was würden die Besseren eigentlich machen, wenn es die Anderen, die Miesen, die auf die man herabsieht, nicht gäbe?

  • 7G
    738 (Profil gelöscht)

    Vielleicht sollte man nicht hackedicht vom Glühweinstand wegtorkeln, sich gleich an den Computer setzen und seine Logorrhoe in einen Artikel pressen. Sonst kommt es immer wieder zu solchen Ausformungen von Selbsthass.

    • @738 (Profil gelöscht):

      seh ich auch so. Das Problem liegt hier auf der psychologischen Ebene. Sich einfach mal selber gut finden. Schade ich weiß nicht wie die Frau aussieht.

  • Oh, Mann, was Stimme ich Ihnen zu.

    Aber was hilft es einen sich im gewaltigem Strahle erbrechenden Jesus herbei zu fabulieren?

    Das einzige was hilft, ist, den hässlichen, dummen Deutschen im rechten Moment eloquent Paroli zu bieten und im genau richtigen Moment einen guten Schwinger zu platzieren.

    Und sonst: ein frohes Fest den verbleibenden Menschen und dem Deutschen einen zünftigen Durchfall.

  • Es ist schön zum Nachdenken anregend, wie verletzende Polemik zwischen gespaltenen, zerstrittenen Deutschen, am Ende doch wieder sehr deutsch wirkt.

     

    Trotzdem tut es irgendwie gut an den "Hässlichen Deutschen" zu glauben. Die versteckte Hoffnung dahinter ist: es sind nicht alle gleich.

  • Danke! Mir spricht Frau Seidig aus der Seele!

  • Genauso geht`s mir auch, Frau Seddig... vielen Dank für die klaren Worte..

  • 1G
    12294 (Profil gelöscht)

    Schoen, dass auch Frau Seddig pünktlich zum Fest ihr persönliches Feindbild gefunden hat, über das sie sich jetzt in einem gewaltigen Wortstrahl erbrechen kann. Ich such mir jetzt auch noch ein Feindbild - Labersaeckinnen vielleicht? - und dann schmücke ich den Baum.

  • Gleich vorweg: Ihre Abneigungen gegenüber Weihnachtsmärkte teile ich im Großen und Ganzen.

    Aber irgendwie schimpfen Sie ja genauso ziellos, dumpf und unaufhörlich wie die von Ihnen deklarierten sogenannten hässlichen Deutschen - wer aber auch immer das nun genau sein soll? Bei aller Scham und Beklemmung, die ich momentan aufgrund von Pegida, AfD und oft mangelnder Zivilcourage genauso schmerzlich empfinde wie Sie, so sind diese Strömmungen doch glücklicherweise nicht mehrheitsfähig in diesem Land. Na und zu guter Letzt auch noch unseren lieben Jesu so ganz und gar alttestamentarisch zu bemühen, da glaube ich nun wiederum, haben Sie doch möglicherweise so einiges leicht missverstanden ...

    Polemik geht eigentlich ein wenig besser ;-)

  • Und dann gibt es noch den hässlichen Deutschen, der sich für den "guten, schönen Deutschen" halt.

    Seinen kotzgrüner Neid auf jeden, der etwas besitzt was er nicht hat kanalisiert er in Parolen wie "Enteignet" und "Umverteilen".

    Wenn der hässliche Deutsche gerade keine Feinde ausmachen kann, so ist er dankbar für jedes Gerücht in seinem Sinne um sich welche zu erfinden. Und weil in Frankreich gerade so oft Leute totgefahren werden muss das hier ja auch passieren. Natürlich durch die anderen, hässlichen Deutschen. Objektive Betrachtung etwaiger Ungereimtheiten kommen für ihn nicht in Frage, da ja nicht sein kann was nicht sein darf. Und seinen Feinden spricht er per se das ab was er sonst demonstrativ hochhält: Menschen- und Bürgerrechte. Denn der hässliche Deutsche liebt das Verbieten.