: Glaube & Werk
Martin Mosebach wird 1951 in Frankfurt am Main geboren. Sein Vater ist Arzt und Psychoanalytiker mit eigener Praxis. Privat ist er ein introvertierter Musikliebhaber mit Vorliebe für Bach, ein klassischer „Kulturprotestant“, wie sich Mosebach erinnert. Sein Verhältnis zum Vater ist bei aller Unterschiedlichkeit der Artung und der Interessen von Respekt geprägt. Die Mutter, aus dem Rheinischen stammend, ist katholisch. Sie lebt eine im alten Sinne naive Frömmigkeit.
Martin Mosebach wächst in einer gutbürgerlich gebildeten, christlichen, dabei reibungslos transkonfessionellen Atmosphäre auf. Er selbst bleibt dabei während Kindheit und Jugend religiös indifferent. Seine Hinwendung zu einem traditionalen, vorkonziliar geprägten Katholizismus vollzieht sich erst im frühen Erwachsenenalter, in einem eher unspektakulären Sich-Anschmiegen an die alten Formen der Kirche, wie sie in den religiösen Ritualen wie der lateinischen Liturgie überlebt haben. Diese spät erwachte Spiritualität ergreift zunehmend sein ganzes Dasein und Denken, prägt Vorlieben in Kunst und Literatur, verbindet sich mit einer spontanen Liebe zu allem Überlieferten und Gewachsenen jeglicher Kultur. Darin mag auch eine bisweilen fast schmerzhafte Sinnlichkeit seines später ausgeprägten Erzählstils seine Wurzeln haben – als der Wunsch, die Welt in der überwältigenden Vielfalt ihrer Erscheinungen, auch der zunächst unverstandenen und ungeliebten, im Geschriebenen aufzuheben.
Die Eltern sind im besten Sinne liberal. Alles Modische liegt ihnen fern, die Erziehung ruht auf einer ethischen Grundorientierung, und so rät man den Söhnen zum Ergreifen eines „ordentlichen“ Berufes – was, so Mosebach, nur Arzt, Jurist oder Naturwissenschaftler bedeuten konnte. Mosebachs jüngerer Bruder wird Mediziner; er selbst entscheidet sich für Jura und studiert nach dem Abitur 1970 in Frankfurt und Bonn. Obwohl Mosebach die Ausbildung zunehmend lustlos absolviert, sich eine Zukunft als Anwalt immer weniger vorstellen mag, steht ein Abbruch des Studiums zu keinem Zeitpunkt in Frage: „Das hätte ich als ein schlechtes Omen betrachtet.“ Durch eine chronische Nervenentzündung ist seine Gesundheit während des Studiums über längere Zeit geschwächt. 1979 legt er nach dem Referendariat das zweite juristische Staatsexamen ab.
In diese Zeit fallen auch Mosebachs erste Schreibexperimente. Es entstehen kleine, im Gestus bevorzugt fantastische Erzählungen („an das realistische Erzählen musste ich mich erst heranführen“), die er im Freundeskreis vorträgt. Als er den Förderpreis der Jürgen-Ponto-Stiftung erhält, wird die Zeitschrift Brigitte auf ihn aufmerksam und lädt ihn ein, als Gastautor zu schreiben: Reiseberichte, Meditationen über Alltagskultur, Mode. Mosebach ergreift die Gelegenheit, sich im Crash-Kurs journalistische Fertigkeiten anzueignen. Die tendenziell ungeliebten Sujets verwandelt Mosebach in Disziplinübungen. Später folgt auch eine längere Zusammenarbeit mit dem Magazin der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.
Den Brauch, neben seiner schriftstellerischen Tätigkeit in Tageszeitungen und Magazinen die kleineren Formate zu veröffentlichen, behält Mosebach bei. Heute ist er regelmäßig Gastautor bei der Süddeutschen Zeitung und der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Seit 1980 lebt Mosebach als freier Schriftseller in Frankfurt. 1983 erscheint sein erster Roman, „Das Bett“. Es folgen Erzählungen, Gedichte, weitere Romane. Den schriftstellerischen Durchbruch erlebt er mit seinem vierten Roman, „Die Türkin“. Darin verbinde er originelle Exaktheit mit Ironie, so die Literaturkritiker, habe harmonisch zu seinem Stil gefunden. Er selbst mag vor allem dem Diktum zustimmen, er verstehe es, sich in seinem Schreiben „ohne Scheu stilistisch an die Erzähler des 19. Jahrhunderts anzulehnen“.
Auswahl der Veröffentlichungen: „Das Bett“ (Roman, 1983, dtv, 15 Euro); „Ruppertshain“ (Roman, 1985, dtv, 19,50 Euro); „Die Türkin“ (Roman, 1999, Aufbau Verlag, 8,50 Euro); „Eine lange Nacht“ (Roman, 2000, Aufbau Verlag, 10,95 Euro); „Der Nebelfürst“ (Roman, 2001, dtv, 9,50 Euro); „Häresie der Formlosigkeit. Die römische Liturgie und ihr Feind“ (2002, Karolinger Verlag, 15 Euro) NIKE BREYER