: Gläsernes Bahnkärtchen
■ Datenschützer laufen Sturm gegen neue Bahncard-Formulare / Bahn und Citibank einig
Hamburg/Frankfurt/Main (dpa/rtr) – Eine „unzulässige Volksbefragung“ ohne gesetzliche Grundlage seien die Antragsformulare für die neue Bahncard, sagt Hamburgs oberster Datenschützer, Hans- Hermann Schrader. Datenbeauftragte aus Hamburg, Niedersachsen und Bremen kritisierten am Donnerstag in einer gemeinsamen Erklärung die mit Kreditkartenfunktion kombinierte Bahncard.
Mit der seit 1. Juli erhältlichen Karte würden „Daten in einem Umfang erhoben, wie er mir noch nicht untergekommen ist“, so Schrader. Zu den detailliert erfaßten Daten gehören Familienverhältnisse, die Zahl unterhaltspflichtiger Kinder, Wohnsituation, Monatseinkommen, Beruf, Arbeitgeber und Beschäftigungsdauer bei früheren Stellen.
„Das kann nicht wahr sein, selbst wenn man noch kein Wörtchen von Datenschutz gehört hat“, warf Schrader der Bahn vor. Im Papier wird zweimal gefordert, den Antrag „vollständig“ auszufüllen. „Der formulargewohnte Deutsche geht davon aus: Wenn ich das nicht ausfülle, bekomme ich die Bahncard nicht“, fürchtet er. Zum Ausfüllen sei aber niemand verpflichtet.
Er verwies auf Anträge anderer Kreditunternehmen, die nur wenige persönliche Daten abfragten. Es gebe also „keinen Grund, für einen Kreditkartenantrag solche Daten zu erheben“. Auf die Daten könnten auch Polizei, Staatsanwaltschaften oder Finanzämter zurückgreifen.
Hessens Datenschützer Winfried Hassemer riet den Verbrauchern, nur die einfache Bahncard zu kaufen. Bei der Bahncard mit Zahlungsfunktion handele es sich um eine „Verführungstechnologie“. Zusammenfließende Datenströme über Reiseziele und Einkaufsverhalten seien „für die beteiligten Unternehmen ein Sesam- öffne-Dich, ein wertvoller Schlüssel über das Reise- und Konsumverhalten des Kartenkunden“.
Die Citibank fand das alles nicht so schlimm, die Deutsche Bahn AG wollte gestern gar nichts sagen. Dafür waren sich die beiden Unternehmen nach langem Hickhack einig, daß die neue Bahncard auch ohne Kreditkartenfunktion zu haben ist – wenn es der Kunde auf dem Antragsformular vermerkt. Die Zentrale für unlauteren Wettbewerb will die Bahn trotzdem abmahnen. Die Visa-Kreditkarte auf der Bahncard sei ein „übersteigertes Angebot“, weil sie dasselbe koste wie ohne die Zahlungsfunktion. Damit werde gegen die Zugabeverordnung verstoßen.
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