■ Das Portrait
: Gila von Weitershausen

Seit heute 50 Foto: Ullstein

Ich muß zwölf gewesen sein, als ich sie das erste Mal sah. Vielleicht hatte es um acht „Was bin ich“ gegeben, oder es waren große Ferien. Jedenfalls hatten meine Eltern die Zügel ihrer Sorgfaltspflicht an diesem Abend etwas gelockert, so daß ich noch nicht, wie gewöhnlich, im Bett lag, als Gila von Weitershausen im blau bestickten Indienkleid unser Wohnzimmer betrat. Dieser Abend sollte mein Leben verändern.

Der Film hieß „Das Ende der Beherrschung“ und handelte von einer jungen Lehrerin, die durch die schicksalshafte Begegnung mit einer noch jüngeren und zudem schwangeren Trebegängerin aus ihren geordneten Lebensbahnen geworfen wird. Statt es dabei bewenden zu lassen, der jungen Pola Kinski zu einer illegalen Abtreibung zu verhelfen, verbringt die linksliberale Pädagogin Gila von Weitershausen lüsterne Nächte in den starken Armen der Kinski und erschlägt am Ende liebestrunken den zurückgekehrten Kindsvater mit einer vorderindischen Holzfigur. Danach mußte ich dann ins Bett.

18 Jahre ist das mittlerweile her, und für Frau von Weitershausen, die heute ihren fünfzigsten Geburtstag begeht, wird ihre Zusammenarbeit mit Bruno Ganz in „Die Fälschung“ oder die Begegnung mit Louis Malle, mit dem sie 1970 „Le souffle au coeur“ drehte und einen Sohn zeugte, sicher wichtiger gewesen sein. Für mich aber erschloß sich in dieser Nacht jener schillernde Kosmos, in welchem ungeschlachte Kinskis vor Leidenschaft glühende Lehrerinnen an den Rand der Verzweiflung treiben können. Die lesbische Lebenswelt, so erfuhr ich, ist eine, für die es sich zu töten lohnt.

In stiller Treue verfolgte ich fortan, wie sich Gila von Weitershausen in den Achtzigern von der großen Filmkunst verabschiedete und sich nun um das deutsche TV-Unterhaltungswesen verdient machte. Tapfer zwang ich mich durch „Derrick“, „Lorentz und Söhne“ und sogar durch alle Teile von „Liebe auf Bewährung“. Und wenn die Lehrerin, die nun mit ihrem „Landarzt“ so telegen die heterosexuelle Idylle zelebriert, in mir auch nicht mehr jenes „Herzflimmern“ auslöst, für das ich einst sogar die Leiche im „Alten“ geliebt hätte, bin ich doch mit ihr im reinen. Denn haben wir nicht mit den Jahren alle ein paar Ideale verloren? Klaudia Brunst