: Giftspritzer für den Knallfrosch
■ Die 17jährige Jugoslawin Monica Seles gewann in vier Sätzen das Masters-Finale gegen den neuen Liebling des New Yorker Publikums, die 18 Jahre ältere Ex-Tschechoslowakin Martina Navratilova
New York (dpa/taz) — Andere Leute besitzen Autos, um damit zu fahren, die Tennisspielerin Monica Seles will sich ihr erstes offensichtlich übers Bett hängen. „Das Auto erinnert mich daran, wie gut 1991 war.“ Im letzten Jahr hatte sie den Jaguar für die punktbeste Filzballzauberin des Jahres noch neidvoll Steffi Graf überlassen müssen, in dieser Saison führte aber kein Weg an der Weltranglistenersten aus Jugoslawien vorbei. In allen 16 Turnieren, die sie bestritt, erreichte sie das Finale, zehnmal siegte sie, den begehrten Grand Slam verpaßte sie bei Siegen in Melbourne, Paris und Flushing Meadow nur, weil sie verletzungsbedingt auf Wimbledon verzichten mußte. Zum Abschluß der Saison gewann sie nun das Masters- Turnier im New Yorker Madison Square Garden.
Ihre Gegnerin im Finale war überraschenderweise Martina Navratilova, die sich hervorragend schlug. Das Masters ist das einzige Frauenturnier, bei dem das Endspiel über drei Gewinnsätze geht, und die 17jährige Jugoslawin benötigte 2:09 Stunden, bis sie die 18 Jahre ältere Kontrahentin mit 6:4, 3:6, 7:5, 6:0 in die Knie gewungen hatte.
Bis zum Ende des dritten Satzes konnte Navratilova davon träumen, in New York ihren 158. Turniersieg zu erringen und damit alleinige Rekordhalterin vor Chris Evert (157) zu werden. Im ersten Satz schlug die Weltranglistenvierte hervorragend auf, rückte wie gewohnt behende ans Netz vor und spielte exzellente Volleys. Doch auch Monica Seles hat ihren Aufschlag in diesem Jahr immens verbessert, und so brachten beide Spielerinnen ihr Service bis zum 4:4 souverän durch. Eine kurze Phase der Nachlässigkeit bei der gebürtigen Tschechoslowakin bescherte Seles dann plötzlich den ersten Breakball, den sie mit krachendem Return souverän nutzte.
Im zweiten Durchgang peitschte das New Yorker Publikum, um dessen Anerkennung Martina Navratilova lange vergebens gekämpft hatte, die 35jährige zu Höchstleistungen empor. Obwohl ihr Aufschlag schwächer wurde und die Returns von Seles immer vernichtender in die Ecken des Feldes sausten, konnte sich Seles der Netzangriffe ihrer Gegnerin kaum erwehren. Zur Freude der 19.000, die Navratilova auf ihre alten Tennistage endlich ins Herz geschlossen haben, zumal es gegen die in den USA unbeliebte Seles ging, gewann ihre „Martina“ den zweiten Satz mit 6:3.
Auch im dritten Abschnitt spielten beide großartiges Tennis, die Altmeisterin geriet jedoch bei ihren Aufschlagspielen zusehends in Bedrängnis. Den Ausschlag gaben die größere Power, die phantastischen Returns und die plazierten Grundlinienschläge der Monica Seles, die wie ein außer Kontrolle geratener Knallfrosch die Grundlinie entlangwieselte und nahezu jeden Ball, den Navratilova in ihr Feld zu spielen wagte, mit dreifacher Geschwindigkeit zurückpfefferte. Nach einigen vergebenen Chancen gelang ihr das Break zum 7:5, damit war der Widerstandsgeist der 35jährigen gebrochen, der vierte Satz nur noch Formsache.
Martina Navratilova war denoch zufrieden mit dem Erreichten, schließlich habe sie nie gedacht, mit 35 Jahren überhaupt noch zu spielen. Für die Siegerin, die 800.000 Dollar Bonusgelder einstrich und mit 2.457.758 Millionen Dollar den alten Preisgeldrekord Navratilovas aus dem Jahr 1984 übertraf, hatte die Unterlegene noch einige kleine Giftspritzer parat. „Sie ist nicht die beste Siegerin, und sie ist nicht die beste Verliererin“, kritisierte sie, in ihrem Auftreten müsse die Jugoslawin einiges ändern. Was, wollte sie aber nicht verraten: „Ich bin kein PR- Agent.“
Während Monica Seles verkündete, daß alles „wundervoll“ sei, sie „weiterhin großes Tennis spielen“ und „alle Gegnerinnen schlagen“ wolle, schöpfte Navratilova aus ihrem reichen Erfahrungsschatz: „Es ist hart, dieses Niveau für längere Zeit zu halten.“ In diesem Jahr sei Seles die Nummer eins, gab sie zu, streichelte vielsagend ihr Schoßhündchen „Killer Dog“ und fügte süffisant hinzu: „Im nächsten Jahr werden wir weitersehen.“ Matti
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