: Giftiges Kieselrot vom Winde verweht
■ Bremen mißt alarmierende Dioxin-Werte/ Ultragift im Feinstaub über größere Strecken verweht
Berlin (taz) — Die gemächliche Gangart bei der Sanierung von dioxinbelasteten Kieselrot-Plätzen, die sich bundesweit abzeichnet, ist für die Anwohner solcher Plätze gefährlicher als bislang angenommen. Ein Meßprogramm des Bremer Senats hat nämlich „erhebliche Belstungswerte“ im näheren Umfeld von Kieselrot-Flächen festgestellt. In Abständen von zwei bis 25 Meter wurden Dioxinbelastungen von bis zu 25.000 Nanogramm (ng) Dioxin- Toxizitätsäquivalent (TE) pro Kilo Boden gemessen. Verantwortlich seien offenbar Verwehungen des Feinstaubs von den Plätzen, die besonders hohe Dioxinkonzentrationen enthielten. „Es ist nicht auszuschließen, daß nennenswerte Belastungen auch noch in größerer Entfernung vorkommen“, heißt es in einem Brief des Staatsrats der Senatsumweltverwaltung, Uwe Lahl, an die Staatssekretäre der anderen Bundesländer und das Bundesumweltministerium in Bonn.
Das Berliner Umweltbundesamt empfiehlt bei Belastungen von über 5ng pro Kilo (TE) die landwirtschaftliche Nutzung einzuschränken, und ab 100 ng die Totalsanierung von Spielplätzen. Bremen hatte aber gerade im Umfeld von Bolzplätzen erheblich höhere Werte festgestellt. Diese „Hiobsbotschaft“ (Lahl) brächte eine neue Dimension in das Thema Kieselrot. Offenbar seien die Kieselrot-Sportplätze die bedeutendsten Dioxin-Punktquellen überhaupt. Selbst „schlechte Sondermüllverbrennungsanlagen“ hätten nicht derartige Auswirkungen auf ihre direkte Umgebung. Je nach der Eigenart des Geländes müssen man auch in 100 Meter Abstand vom Sportplatz noch mit einer Überschreitung der Richtwerte rechnen. Wer als Kommune angesichts dieser Erkenntnisse nach wie vor Fußballer auf einen Kieselrot-Platz lasse, verletze damit nach seiner Auffassung die Amtspflichten, so Lahl.
Das Bonner Umweltministerium sieht trotz der beunruhigenden Berichte aus Bremen „keinen Handlungsbedarf“. Der Dioxinexperte des Ministeriums, Armin Basler, sagte der taz, die Bund-Länder-Arbeitsgruppe Kieselrot habe im Februar das letzte Mal getagt, und er sehe „keinen Sinn, daß wir noch einmal darüber tagen“. Man habe empfohlen, die Plätze ständig feuchtzuhalten oder andernfalls abzudecken. „Wenn dies eingehalten wird, hätten wir keine Verwehungen.“ Außerdem: Solange es kein Bodenschutzgesetz gebe, sei es Sache der Länder, für die Einhaltung der Richtwerte zu sorgen. Hermann-Josef Tenhagen
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