: Gift und Gewalt im Puppenhaus
■ "Barbie" und "Ken", "Turtles" und "Captain Hook" viele der Plastikgesellen enthalten das gefährliche PVC / Und ihr pädagogischer Gehalt ist zumindest fragwürdig
Gift und Gewalt im Puppenhaus »Barbie« und »Ken«, »Turtles« und »Captain Hook« — viele der Plastikgesellen enthalten das gefährliche PVC / Und ihr pädagogischer Gehalt ist zumindest fragwürdig
Im Kinderzimmer ist die Trennung der Geschlechter noch perfekt: Jungen kämpfen mit Aktionsspielfiguren wie Turtles oder Wrestlers gegen den Rest der Welt, Mädchen geraten beim Anblick der An- und Ausziehpuppe Barbie in Verzückung.
Über den pädagogischen Sinn und Unsinn solcher Plastikgesellen kann man sich streiten. Doch Material und Sicherheit sollten stimmen. Das ÖKO-TEST-Magazin hat zahlreiche Puppen und Aktionsspielfiguren getestet: Zwei Puppen trugen Kleider, die nicht speichel- und schweißecht waren. Wenn Baby am Kleidchen lutscht, können also Farbstoffe und andere Chemikalien in den Mund gelangen. Bei immerhin fünf Puppen wäre es für Kleinkinder zudem ein leichtes, Knöpfe oder Schnallen abzureißen und zu verschlucken. Eine Puppe hatte das Schwermetall Chrom im Schuh.
Bei 32 von 36 Puppen und Spielfiguren fand ÖKO-TEST zudem das umweltschädliche und gefährliche PVC. Verschlucken Kinder Puppenschuhe, Armbändchen oder Spielzeugschwerter aus diesem Kunststoff, lösen sich im Magen Weichmacher aus dem Material, ein scharfkantiger Körper bleibt übrig, der die Magenwände verletzen kann.
Auch die Schildkröt-Mutanten Turtles, muskelbepackte Wrestlers oder Captain Hook mit seiner Seeräuberbande bestehen aus dem gefährlichen Stoff. Trotzdem haben sie Hochkonjunktur. Die Hersteller heizen den Verkauf zusätzlich an, indem sie neben Zubehör auch Filme, Videos und Comics auf den Markt werfen. Wie bei Barbie und ihrer hausbackeneren deutschen Variante Petra werden die Kinder
1auf jeder Packung mit „Collect them all — holt euch alle“ aufgefordert, sich das ganze Figuren-Sortiment plus Accessoires zu kaufen.
Der Spiel-gut-Ausschuß, ein Zusammenschluß von Pädagogen, Eltern und Psychologen, hat Puppen und Figuren aufs Korn genommen. Vorurteile würden verfestigt und Gewalt verherrlicht, sind seine Hauptkritikpunkte. Tatsächlich dreht sich Barbies Leben fast ausschließlich um Luxus und schöne Kleider. Ihre Berufswünsche gehen in den 33 Jahren ihres Lebens über klassische Frauenberufe wie Krankenschwester, Stewardeß oder Lehrerin selten hinaus. Der gutaussehende Freund Ken darf aber als Arzt, Pilot oder Geschäftsmann Karriere machen.
1Jungen lernen dagegen ihre Konflikte mit Waffen und den schlagenden Argumenten der Muskelprotze auszutragen. Das Spiel „Turtles — Flushomatic High-Tech-Folterkammer“ wurde vom Hersteller Bandai als „Flushomatic, ein perfektes Foltergerät, um den zähnezusammenbeißenden Turtles die Geheimnisse herauspressen zu können“, angepriesen. Sie sollten auf einem Foltertisch festgeschnallt und mit „Retromutagen-Schleim“ übergossen werden.
Trotz der Gewalt, die Kinder spielend lernen, lehnte die Bundesprüfstelle für Jugendgefährdende Schriften ein Verkaufsverbot des Turtlespiels ab. Begründung: Die meisten der 7000 hergestellten Spiele stehen schon längst in den
1Kinderzimmern. Immerhin verzichtete der Hersteller schon vor dem Urteil auf eine Neuauflage.
Verbieten nützt gar nichts, meint das ÖKO-TEST-Magazin. Eltern solltem ihrem Kind lieber erklären, warum sie solches Spielzeug nicht gut finden. Das Magazin rät außerdem, weniger und dafür hochwertigeres Spielzeug zu kaufen, das lange hält und der Fantasie freien Lauf läßt. Eltern sollten auch darauf achten, daß sich bei Spielzeug für Kleinkinder unter drei Jahren keine kleinen Teile ablösen und verschlucken lassen. Fast unmöglich ist es dagegen, Plastikpuppen zu kaufen, die ohne PVC auskommen. Wie wäre es mal mit einer Stoffpuppe? Dorothee Meyer-Kahrweg
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