piwik no script img

Gibt es ein Leben unter einem grünen Chef?„Angst vor Fischer hat keiner“

■ Mitarbeiter des Auswärtigen Amtes freuen sich auf frischen Wind

„Fischer als Außenminister? Die Kollegen sehen das sehr gefaßt. Ein Wechsel nach 16 Jahren tut jedem Haus gut. Wir werden unseren ganzen Ehrgeiz daran setzen, ihm unsere Kenntnisse zu vermitteln. Im übrigen hat Fischer in allen außenpolitischen Ausschüssen gute Noten bekommen. Der Mann verfügt über hohe Intelligenz und geistige Beweglichkeit. Solche Eigenschaften sind bei Politikern ja nicht sehr breit gesät.“ (Beamter des höheren Dienstes, 62 Jahre)

„Gegen Fischer hätte ich gar nichts. Er macht einen guten Eindruck, formuliert etwas unorthodoxer, setzt in der Europapolitik gewisse neue Akzente. Ich sehe keinen Grund, warum er im Haus nicht ernstgenommen werden sollte. Seine Akzeptanz im Ausland wird auch davon abhängen, wie die Grünen sich in der Koalition verhalten.“ (Referatsleiter, 53 Jahre)

„Ein grüner Minister? Schlimm wäre das, vor allen für unseren internationalen Ruf. Seine Leute haben kein politisches Programm, sind nicht qualifiziert, das wäre doch furchtbar.“ (Ehemaliger Mitarbeiter im AA, 69 Jahre)

„Angst vor Fischer hat hier keiner. Ich finde es ganz gut, wenn wir mal frischen Wind in den Laden kriegen. Das Auswärtige Amt war zu lange in der Hand einer Partei, das ist doch immer die gleiche Sauce. Fischer ist unkonventionell und trotzdem sehr analytisch. Der würde das ganze Haus aufmischen. Gerade für die älteren Herrschaften wäre das eine Herausforderung. (Legationsrat, 39 Jahre)

„Wenn der mit seinen Turnschuhheinis hier reinkommt, wird er sich erst mal umschauen. Die sollen doch einfach mal in diesem Aufzug nach Südamerika fahren, da wird sehr auf Etikette geachtet. Politische Bedenken habe ich weniger, und in meinem beruflichen Umfeld verspüre ich eher Erleichterung, daß die eingesessenen FDP-Leute mal wegkommen.“ (Diplomat, seit über 30 Jahren im Einsatz)

„Wir sind hier der Sache verpflichtet, also Europa, der Osterweiterung der EU, der transatlantischen Union. An diesen Eckdaten kann auch Joschka Fischer nichts ändern, und soweit ich weiß, will er das auch gar nicht. Ich hätte nichts dagegen, wenn er Außenminister würde.“ (Verwaltungsangestellter, 48)

„Ich würde schon versuchen, mich Herrn Fischers Vorstellungen zu nähern. Auch wenn ich persönlich glaube, daß die deutsche Außenpolitik den Prinzipien der grünen Partei fundamental entgegenstehen, vor allem was Nato-Einsätze angeht. Einigen Grünen spreche ich ganz einfach die Fähigkeit zur Demokratie ab. Aber für uns heißt es jetzt eben auch: Die Demokratie lebt vom Wechsel.“ (Beamter des höheren Dienstes, 50 Jahre)

„Ist mir völlig egal, wie der Minister heißt, die sind doch alle gleich. Pöstchenmacherei und nichts anderes.“ (Beamter im mittleren Dienst)

„Mit Herrn Fischer könnten etliche im Haus sehr gut leben. Aber für die Grünen selbst wäre es sicherlich eine schwere Zerreißprobe, ihren Star in einer Regierung zu sehen und sich nach seinen Vorgaben richten zu müssen. Im übrigen tut uns frischer Wind hier mal ganz gut.“ (Stellvertretende Referatsleiterin, 51) Aufgezeichnet von

Constanze von Bullion, Bonn

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen