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Gewürzt, geknetet, geformt, erhitzt

■ Über die sehr gesunde Tendenz zum Fischmuskeleiweißriegel Von Peter Behrendt

Es war einmal, da sagte Mutti: „Na los, kauf dir einen Schokoriegel“. Und Omi sagte: „Kauf dir eine Brezel, mein Kind!“ Ist das nun bald vorbei? Sagt Mutti demnächst vielleicht: „Na los, kauf dir einen Fischmuskeleiweißriegel“ ?

So soll es sein. Zumindest, wenn es nach Thomas Lauenroth geht, Juniorchef eines Hamburger Fischdelikatessen-Unternehmens. Das nämlich stellt heute in Bremen auf der Messe „Fisch –94 International – Seafood Europa“ etwas völlig Neues vor: einen „Fischriegel“, „RIMI“ genannt. Der sei „gesund, kalorienarm und sättigend; ein Konkurrenzprodukt zu Kalorienbomben wie MARS oder BOUNTY“. So Lauenroth.

Mag sein. Trotzdem drängen sich dem Laien einige Fragen auf. Was ist ein „Krebsfleischimitat aus Fischmuskeleiweiß“, wie es auf der Verpackung steht? Warum liegt „RIMI“ bei anderen „Pausensnacks“ neben der Kasse, und nicht, wie zu vermuten wäre, im Kühlregal? Warum heißt er „RIMI“ ? Und warum sollte er gesund sein? Der 33jährige Jungunternehmer erklärt stolz seine patentierte „Idee“.

„Rimi“ leitet sich vom japanischen Wort „Surimi“ ab, einer alten japanischen Spezialität: Früher waren es Krebse, heute wird der „Alaska Pollock“ (dem Seelachs vergleichbar) zu einer Art „Mehl“ zerkleinert, mehrfach gewaschen und dann unter Zusetzung von Gewürzen, Sojaöl und Aromen geknetet, geformt und erhitzt. „So ähnlich wie Tofu“, ergänzt Lauenroth. Hier und heute in Deutschland wird „Surimi“ seit einiger Zeit auf kalten Buffets angeboten.

„Ich möchte dieses gesunde Naturprodukt jedem sofort und überall anbieten können“, freut sich Delikatessen-Experte Lauenroth. Was lag also näher, als den 25 Gramm leichten „Formfisch“ als Schokoriegelersatz in die Geschäfte zu bringen? Hätten wir eigentlich auch drauf kommen können.

Daß sich „RIMI“ innerhalb kürzester Zeit auf dem deutschen Markt durchsetzen wird, davon ist der smarte Geschäftsmann überzeugt. Stichwort Gesundheit: „Es ist bekannt, daß die Deutschen zu wenig Jod zu sich nehmen, obwohl jodhaltige Ernährung das Risiko von Schilddrüsenkrebs stark vermindert“. „RIMI“ enthalte soviel Jod, daß ein Riegel den Bedarf eines Erwachsenen für zwei Tage ersetzt. Im übrigen enthält der Fischriegel nur zweiundzwanzig Kalorien und ist so eine „leichte Zwischenmahlzeit“.

Einziges Problem sei die Verpackung. Die besteht aus PVC, Aluminium und Polyethylen. Naturprodukt eben. Da aber der Formfisch „gleich nach der Verarbeitung sterilisiert wird, ist „RIMI“ ein Jahr lang ohne Kühlung haltbar“, so Lauenroth. Somit hebe der minimale Energieaufwand bei Lagerung und Transport die „ökologische Problematik der Verpackung“ wieder auf.

Schön und gut. Aber an den Verzehr werden sich die FischfreundInnen noch gewöhnen müssen. Der erste Biß in das gute Stück ist doch etwas seltsam. Und außerdem riecht es wirklich sehr nach dem Inhalt. Immerhin: „Der Versuch in einem Kindergarten war positiv“. Drücken wir also die Daumen, daß bei der nächsten Entscheidung ob „Twix“ oder „RIMI“, das Gewissen drückt und der Pausenhunger zugunsten der Schilddrüse gestillt wird. Ab übernächster Woche also: Bon appetit!

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