: Gewinnkonzentration
Bundestagsanhörung zur Novellierung des Wettbewerbsgesetzes ■ Mit dem WETTBEWERB auf Kriegsfuß
Der Bremer Professor Jörg Huffschmid („Memo-Gruppe“) nahm auf der gestrigen Anhörung zur These der Bundesregierung Stellung, das Gesetz bedürfe keiner grundlegenden Überarbeitung.
Der Entwurf der Bundesregierung für die 5. Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen fällt in eine Zeit, die durch eine quantitativ wie qualitativ bemerkenswerte Beschleunigung der Wirtschaftskonzentration gekennzeichnet ist.
-Die Zahl der dem Bundeskartellamt angezeigten Unternehmenszusammenschlüsse hat sich in den letzten vier Jahren gut verdoppelt (+ 101,6 Prozent) und ist allein im vergangenen Jahr um fast ein Drittel (+ 30,7) gestiegen. Mehrheitlich handelt es sich dabei nicht um die Verbindung mehr oder minder gleich starker kleinerer Unternehmen, sondern um den Zukauf von kleinen oder mittleren Unternehmen durch große Konzerne. Eine besonders aktive Rolle spielen dabei die Spitzenunternehmen: Die 100 (an der Wertschöpfung gemessen) größten Gesellschaften waren 1986/87 an 539 der 1989, also fast an einem Drittel (31,9 Prozent) der angezeigten Fusionen beteiligt. Auf nur zehn Unternehmen entfielen mehr als ein Siebentel (254 15,0 Prozent) der Zusammenschlüsse. Die VEBA übernahm 52 Unternehmen.
-Eine Reihe spektakulärer Großfusionen hat die Öffentlichkeit stark beschäftigt und kritische Diskussionen hervorgerufen. Gewicht einzelner Konzerne, ihrer Arbeitsplätze und Steuerzahlungen für eine Reihe von Städten und Regionen schafft Abhängigkeiten, die zu Erpreßbarkeiten
-etwa zur Zurückstellung ökologisch oder sozial notwendiger Maßnahmen in Stadt- und Landesparlamenten bzw. -regierungen zugunsten der Investitionsförderung von dominanten Konzernen - führen können. Die Zweifel wachsen, ob das GWB einen ausreichenden Schutz vor der Entstehung und mißbräuchlichen Ausnutzung unkontrollierbarer Machtpositionen eines Unternehmens oder einer Unternehmensgruppe bietet. Diese Frage ist um so dringlicher, als die Gerichte auch in den letzten Jahren in wichtigen Fällen Fusionsuntersagungen des Bundeskartellamtes wieder aufgehoben haben.
-In diesem Zusammenhang spielt auch die Frage der Konzentration im Bankensektor und der Bankenmacht eine wichtige Rolle. Trotz unveränderter oder sogar leicht abnehmender Anteile der drei Großbanken (Deutsche, Dresdner und Commerzbank, einschließlich ihrer Westberliner Töchter) am Geschäftsvolumen und an den Kreditausreichungen aller Banken hat in den letzten Jahren eine enorme Konzentration der Gewinne bei ihnen stattgefunden: Ihr Anteil an den Jahresüberschüssen aller Kreditbanken, der 1981 noch bei gut einem Drittel (35,1 Prozent) gelegen hatte, stieg bis 1988 auf über die Hälfte (54,0 Prozent). Die Zunahme des Jahresüberschusses aller Kreditbanken im vergangenen Jahr um 19,6 Prozent fand fast ausschließlich - nämlich zu 96,8 Prozent - bei den Großbanken statt: Ihre Gewinne stiegen um 41,7, die der „restlichen“ 304 Kreditbanken dagegen nur um 1,2 Prozent. Diese enorme Gewinnkonzentration ist Ausdruck von Machtpositionen. Die drei Großbanken vertraten 1986 bei den 32 der 100 größten Konzerne, die sich mehrheitlich in sog. Streubesitz befinden, im Durchschnitt 45,4 Prozent des auf der Hauptversammlung präsenten Stimmrechts.
Trotz dieser bemerkenswerten Entwicklungen der wirtschaftlichen Konzentration geht die Bundesregierung davon aus, daß „eine grundlegende Überarbeitung des Kartellgesetzes ... nicht notwendig“ erscheine. Die Aussage ist nicht haltbar.
-Erstens enthält das Gesetz keinerlei Bestimmungen, die die Umsetzung ökonomischer in politische und gesellschaftliche Macht verhindert oder einschränkt. Wenn die VerfasserInnen des Regierungsentwurfes sich in diesen Fragen taub stellen, schafft das den Bedarf nach einer gründlichen Überarbeitung des GWB zur Lösung dieser Probleme nicht aus der Welt.
-Zweitens ist es nicht möglich gewesen große, national bedeutsame oder regional- bzw. branchenstrukturverändernde Fusionen in ihren vielfältigen, durch das Kriterium der Marktbeherrschung nicht erfaßbaren ökonomischen, ökologischen und sozialen Wirkungen kritisch zu beurteilen.
-Drittens widerlegt auch eine quantitative Erfolgsbilanz die Behauptung, es bestehe kein grundlegender Überarbeitungsbedarf.
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