■ Atlanta braust: Gewinnen ist Gold, Verlieren ist Silber
Hören denn diese Sponsoren nicht zu, wenn Olympias Sittenwächter ihre Botschaft von Frieden, Solidarität und der vereinigenden Kraft der Leibesübungen predigen? Der Corporate identity wird alles geopfert, sogar das Lippenbekenntnis vom „Dabeisein ist alles“. „I'm not here to trade pins“, lautet eine der Werbebotschaften eines großen Sportklamotten-Herstellers, der Tennisspielerin Monica Seles in den Mund gelegt. Wer schon keine Anstecknadeln in Atlanta tauschen will, der kann nur eins wollen: siegen, siegen, siegen.
Das sorgt für Irritationen. Kommt hier bei Olympia nicht die Jugend der Welt zusammen, harmlos, unbedarft, sportlich? Gelten die Verlierer, um Sekunden, Meter oder Kilogramm geschlagen, wirklich nichts? Zumindest werden sie in der Überzahl sein. Wer den Werbebotschaften folgt, soll glauben, daß schon eine Silbermedaille nicht mehr von der modernen Definition des Begriffs „Erfolg“ gedeckt wird. Dann schon lieber gar nicht dabeisein. Diese Schande, was werden die Eltern denken, die Nachbarn? „You don't win silver, you lose gold“, spricht Olympiasiegerin Gail Devers herab von den Plakatwänden des amerikanischen Südens.
Verlieren ist Silber, Gewinnen ist Gold. Ob die olympische Realität in diesen Tagen genug Überzeugungskraft entfalten kann, um die PR-Sprücheklopfer vom Gegenteil zu überzeugen? Möglich, daß die Werbebotschaften ihrer Zeit voraus sind. Ulrich Loke, Atlanta
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen