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Gewerkschaftsbund will Minijobs abschaffenWege aus der „Minijobfalle“

Der DGB präsentiert eine Idee, wie 400-Euro-Jobs zu regulärer Teilzeitarbeit werden könnten. Aktuell arbeiten 7,4 Millionen Personen auf 400-Euro-Basis.

Ein typischer 400-Euro-Job: Putzfrau oder -mann. Bild: krockenmitte / photocase.com

BERLIN taz | Der Deutsche Gewerkschaftsbund will die Minijobs loswerden. In Berlin stellte Annelie Buntenbach vom DGB-Bundesvorstand am Donnerstag ein Konzept vor, um Verdienste bis 400 Euro innerhalb einer Frist von drei Jahren in normal-abgabenpflichtige Teilzeitjobs umzuwandeln.

Für Buntenbach ist die geringfügige Beschäftigung, die 2003 unter Rot-Grün reformiert wurde, mit vielen Nachteilen behaftet: Minijobs böten zumeist „miserable Arbeitsbedingungen, schlechte Bezahlung und keine soziale Absicherung“, sagte Buntenbach.

Das wiegt für die Gewerkschaft umso schwerer, als die Zahl dieser Jobs in den letzten Jahren stetig gewachsen ist. Aktuell arbeiten 7,4 Millionen Personen auf 400-Euro-Basis monatlich. Nur für rund 2,5 Millionen ist es dabei ein Zuverdienst.

Das Konzept des DGB sieht vor, dass Arbeitgeber künftig vom ersten Euro an die vollen Sozialabgaben entrichten, ihr Beitrag dann aber fällt. Das heißt: Bei einem Verdienst von 100 Euro im Monat liegt ihr Satz bei 42 Prozent, bei einem von 400 Euro bei 30 Prozent. Im Gegenzug beteiligt sich der Arbeitnehmer bei steigendem Verdienst an der Finanzierung der Sozialbeiträge; maximal mit 48 Euro beim Höchsteinkommen für Minijobber von 400 Euro. Bisher bezahlen nur die Arbeitgeber für Jobs bis 400 Euro pauschal 28 Prozent an die Renten- und Krankenkasse. Mit der neuen Regelung will der DGB erreichen, dass Arbeitgeber Jobs mit höheren Stundenzahlen und Verdiensten anbieten.

„48 Euro sind eine Menge Geld“, gab Buntenbach zu. Dafür hätten die Beschäftigten künftig aber Anspruch auf Kranken- und Arbeitslosenversicherung.

Der DGB hofft aber auch, die „Minijobfalle“ auszuhebeln: Viele Beschäftigte, vor allem Frauen, würden gerne deutlich mehr arbeiten, doch die Arbeitgeber böten solche Stellen oft nicht an. Selbst die 400-Euro-Grenze werde oft nicht ausgeschöpft: Minijobber verdienen im Westen im Schnitt 265 Euro im Monat, im Osten 215 Euro.

Doch nicht nur vielen Arbeitgebern oder der Bundesregierung, auch manchem Beschäftigten dürfte die Idee nicht gefallen. Schließlich klingt die Logik der Minijobs, brutto = netto, erst einmal gut. Dass man mehr Geld verdienen könne als in sozialversicherungspflichtigen Jobs, erweise sich jedoch „faktisch oft als Illusion“, erklären die Arbeitsforscherinnen Dorothea Voss und Claudia Weinkopf. Denn Unternehmen drückten bei Minijobs regelmäßig die Löhne.

Bleibt die Frage, ob die Reform Jobs kostet. Da es Dienstleistungsjobs seien, drohe keine Verlagerung ins Ausland, sagt Buntenbach: „Geputzt und gekellnert wird auch weiterhin.“

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9 Kommentare

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  • M
    Marion

    Seit über einem Jahr übe ich einen Minijob aus. Mit den Arbeitsbedingungen bin ich nicht zufrieden. Vor der Einstellung wurde mir mitgeteilt, dass ich nur Geld bekomme, wenn ich arbeite. D. h. keinen Urlaubsanspruch, keine Feiertagsvergütung, keine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. 7,50 Euro Stundenlohn für das Kommissionieren und Verpacken von Waren (8,5 Stunden an einem festen Wochentag). Ich könne mir aber so oft freinehmen wie ich möchte - wenn ich rechtzeitig Bescheid gebe.

    Ein Anruf bei der Minijobzentrale hat ergeben, dass Arbeitgeber in keinster Weise kontrolliert werden. Mir bleibt nur der Gang zum Arbeitsgericht. Schlage ich diesen Weg ein, bin ich meinen Job los ...

    Das ist die Realität. Die absolute Ausnahme ist eine faire Behandlung nach dem Gleichstellungsgesetz. Viele Arbeitgeber arbeiten mit mehreren Minijobbern und Auszubildenden um Lohnkosten zu sparen. Hier muss sich etwas ändern.

  • M
    Mario

    Bei rund 7,4 Millionen Personen in 400-Euro-Jobs, ist dieser Vorschlag gefährlich für jede einzelne Partei.

    Und es kostet viel Kraft und Mut an dieser Regelung überhaupt etwas zu ändern. Dass es nur für rund 2,5 Millionen ein Zuverdienst ist, also oben auf ein Normalgehalt kommt, zeigt ja eben, wie verzweifelt die Lage am untersten Ende des Arbeitsmarkts geworden ist. Wahrscheinlich sind darunter viele Hartz-IV-Empfänger, die eben nur 110 bis 150 EURO verdienen dürfen. Ob eine Steuererhöhung für solche Arbeitskräfte wirklich gut und verkraftbar ist, halte ich für zweifelhaft.

     

    Tatsächlich müsste die 400-EURO-Regelung auf 150 oder 200 EURO gesenkt werden in Kombination mit einem Mindestlohn pro Stunde von indestens 9,50 EURO. Für die Brücken zwischen 200 und 800 EURO müsste der Staat dann sorgen. Aber genau das tut er ja nicht. Im Gegenteil: Der Staat akzeptiert, dass es Betriebe gibt, die nur auf den Vorteilen dieser 400-EURO-Regelung basieren und die parasitär dadurch sind, weil eben die anderen Arbeitnehmer und Wirtschaftssubjekte die Zeche bezahlen müssen.

     

    Für meine Begriffe macht der DGB das Richtige, aber im Detail eben nicht: Die 400-EURO-Regelung kann nur mit einem breiten Konsens und mit realistischen Konzepten gekippt werden. Die Regelung bestehen lassen, aber mit Steuern kommen, führt nur zu einem Boom von Steuerberatern und Steuervereinen. Und fördert wohlmöglich Schwarzarbeit, denn noch eine Karte vom Onkel, der Cousine und schon rechnet sich auch so eine Regelung wieder. Dagegen kann man dann nur noch mit einem Polizeistaat bzw. einer Diktatur angehen - wohl kaum Ziel des DGBs.

  • MA
    Michael Artmann

    Meine Erfahrung ist, dass zumindest einige Firmen den Minijob als Alibi nutzen. Es wird auf 400 Euro abgerechnet. Alles was an Mehrarbeit drüber liegt, wird bar an den Minijobber gezahlt. Es ist also verdeckte Schwarzarbeit, die bewusst oder unbewusst vom Staat hingenommen oder gar ermöglicht wurde und wird.

    Dieser DGB-Vorstoß mag eine Lösung anstreben, aber er verkompliziert abermals das Leben. Warum keine Abschaffung aller Lohnnebenkosten und dafür die Konsumsteuer zur Deckung dieser Kosten? Das wäre ein riesiger Schritt in Richtung Gerechtigkeit und Transparenz.

  • R
    reblek

    "Für Buntenbach ist die geringfügige Beschäftigung, die 2003 unter Rot-Grün reformiert wurde... Bleibt die Frage, ob die Reform Jobs kostet." - Was in diesem Land alles als "Reform" gilt- Mini-Jobs unter miesen Bedingungen ebenso wie die Abschaffung dieser Bedingungen. Denkt darüber eigentlich niemand nach? Und der Quatsch, dass etwas, was für die Arbeitnehmer positiv ist, "Jobs kosten" soll gehört wohl auch weniger in die taz als ins "Handelsblatt".

  • M
    Maurice

    Und was schlägt der DGB vor? Höhere Steuern (für die am schlechtesten bezahlten) Arbeitnehmer - gegenfinanziert durch eine drastische Senkung der Spitzensteuersatzes am Besten? Peinlich, so etwas in einer angeblich linken, sozialen Zeitung zu lesen. Garniert mit dem üblichen "Komm, wir zwingen die Arbeitgeber zu Irgendwas" ist das ja ein sehr kruder Cocktail. Einfach asozial - der DGB halt, wie die taz ein Spielball des Großkapitals. Ich wüsste schon gerne, wie viel Bestechungsgeld Frau Buntenbach jedes Jahr so erhält. Damit dürfte sie zwar nicht ganz Winterkorn-Niveau erreichen, aber siebenstellig dürfte das sein. Für ständiges Jammern und sonst nichts eine gute Leistung.

     

    Die Artikel von Eva Völpel zeichnen sich auch immer durch eine beeindruckende geistige Schlichtheit aus - kann der Dame mal einer sagen, dass sie eine sehr schlechte Journalistin mit einem sehr schlechten Schreibstil ist? Vielleicht sollte die besser Zahnarzt oder so was werden.

  • H
    Helga

    "Denn Unternehmen drückten bei Minijobs regelmäßig die Löhne. " - mein Gott, was für ein peinlicher, nichtssagender Artikel. Im Vergleich zur taz steht ja die FDP solide aufgestellt da - wenn die taz so weitermacht, dann ist sie noch vor der FDP den Quoten- bzw. Umsatztod gestorben. 95 % der Artikel sind mittlerweile vom Niveau her eine Katastrophe - früher waren das mal 10%, das war ja okay.

  • I
    Ingo

    Richtig so!

     

    Lohnkosten müssen einheitlich sein, Dumping darf nicht subventioniert werden. Ich bin derzeit Tagelöhner am Rande der Legalität, weil ich mal viel Geld verdiene und mal leer ausgehe.

     

    VIELEN DANK ROT GRÜN ihr PENNER!

  • AM
    Antje Müller

    Diese zahnlosen Gewerkschaften sind unmöglich.

     

    Genauso wie SPD und Grüne, die das ausufernde Minijob-Elend erst eingeführt haben, nachdem die doofen WählerInnen sie vertrauensselig an die Macht gebracht hatten.

     

    Umstellung innerhalb von 3 Jahren, das ist viel zu lasch.

     

    Minijobs müssen sofort in Arbeitsverhältnisse umgewandelt werden, von denen frau (die meisten Minijobberinnen sind Frauen!) anständig leben können.Die Zerstückerlung von Arbeitsverhältnissen auf Kosten der Arbeitenden muss sofort verboten werden!

     

    Als diese Hunger-Jobs eingeführt wurden, haben die Gewerkschaften überhaupt nichts dagegen getan, genau wie sie nichts gegen die verheerenden rot-grünen Hartz-IV-Gesetze getan haben! Kein Wunder: Herr Sommer ist in der SPD. Herr Bsirke ist in der grünen Partei.

     

    Alles Verräter!

     

     

    "In Berlin stellte Annelie Buntenbach vom DGB-Bundesvorstand am Donnerstag ein Konzept vor, um Verdienste bis 400 Euro innerhalb einer Frist von drei Jahren in normal-abgabenpflichtige Teilzeitjobs umzuwandeln."

  • A
    aurorua

    Wieder einmal zehn Jahre zu spaet, im Uebrigen wird sich dieser Kasperverein ohnehin nicht durchsetzen.

    Bei denen ist doch schon seit 35 Jahren die Luft raus und letztlich geht es auch den Gewerkschaftsbonzen nur noch um Besitzstandswahrung und die eigenen Pfruende.

    Diese warmduschenden Weicheier sollten sich mal ein Beispiel an z.B. franzoesischen, spanischen oder italienischen Gewerkschafte nehmen!