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Gewerkschaftler über Energiekonzept"Kernenergie wird eindeutig bevorzugt"

Michael Vassiliadis, Chef der Gewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE), über das Energiekonzept der Regierung. Längere Akw-Laufzeiten lehnt er ab, man soll jedoch auf Kohle setzen.

Norbert Röttgen und Angela Merkel. Bild: dpa
Interview von Stephan Kosch

taz: Herr Vassiliadis, am heutigen Samstag treffen sich tausende von Atomkraftgegnern zur Demonstration in Berlin. Sind Sie dabei?

Michael Vassiliadis: Ich bin zu der Zeit im Ausland und kann deshalb nicht dabei sein. Aber es werden Mitglieder der IG BCE da sein, und ich unterstütze den Protest.

Warum sind Sie gegen längere Laufzeiten von Atomkraftwerken?

Bild: ap
Im Interview: 

Michael Vassiliadis, 46, ist Vorsitzender der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE). Zur chemischen Industrie kam er durch seine Ausbildung zum Chemielaboranten bei Bayer in Dormagen in Nordrhein-Westfalen in den 1980er Jahren. Als Sohn griechischer Einwanderer ist Vassiliadis der erste Gewerkschaftschef mit Migrationshintergrund in der Bundesrepublik Deutschland.

Weil wir 2002 eine Vereinbarung über den Atomausstieg getroffen haben, die auch gesellschaftlich getragen wurde. Nun wurde dieser Konsens ohne Beteiligung der unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen gekündigt. Zudem wird der Eindruck erweckt, als wenn uns längere Laufzeiten für Kernkraftwerke direkt in einen Energiemix bringen, in dem die erneuerbaren Energien die Hauptrolle spielen. Das ist unseriös.

Atomkraft ist also keine Brückentechnologie?

Sie ist eine kleine Brücke bis ins Jahr 2022, so wie es im Atomkonsens vereinbart war. Bis dahin könnte die Kohleverstromung durch neue Technologien umweltfreundlich sein und die tatsächliche Brücke in das Zeitalter der erneuerbaren Energien bilden. Doch jetzt drohen Blockade und Protest.

Dieser richtet sich oft auch gegen neue Kohlekraftwerke. Denn Stromerzeugung aus Kohle können wir uns aus klimapolitischen Gründen auch nicht mehr leisten.

Das ist eine Frage der Technologie, die man fördern muss. Schon die rot-grüne Regierung hat nach dem Atomkonsens viel zu wenig getan, um die zweite Brücke zu bauen und die Kohleverstromung klimafreundlicher zu machen. Aber es ist möglich. Wir brauchen neue Kraftwerke mit einem höheren Wirkungsgrad und andere Innovationen, wie zum Beispiel die CCS-Technologie, bei der das Kohlendioxid im Kraftwerk abgeschieden und dann gespeichert wird.

CCS steht doch noch nicht im großem Maßstab zur Verfügung, und viele Experten halten es für fraglich, ob das technisch machbar und bezahlbar ist. Außerdem wächst der Protest in den Regionen, in denen das CO2 unterirdisch gespeichert werden soll. Die Speicher stehen auf dünnem Eis.

Teile der Politik setzen CCS-Speicher nahezu gleich mit Endlagern für Atommüll. Kohle und Kernkraft werden oft in die gleiche Risikoklasse eingeordnet. Aber das ist falsch: Ein Kohlendioxidspeicher ist kein atomares Endlager, das über Jahrtausende strahlt. Es gibt sicherlich Risiken, und die CCS-Technik ist noch nicht ausgereift. Aber daran muss man arbeiten. Den Klimawandel bekämpfen wir nur mit bester Technologie. Und wer die Kohle nicht zukunftsfähig macht, wird länger auf Kernenergie angewiesen sein. Das aktuelle Energiekonzept der Bundesregierung ist doch ein erster Hinweis darauf.

Es gibt Alternativen. Die Zukunft liegt doch in einem dezentralen Energiesystem, die sich aus vielen verschiedenen Quellen speist, nicht in neuen Großkraftwerken, die eine zentralistische Struktur zementieren.

Sie übersehen dabei den Grundlastbedarf der energieintensiven Industrien und den Umstand, dass wir Strom noch nicht in ausreichenden Mengen speichern können. Außerdem ist das eine Frage des Geldes. Wenn ein Kohlekraftwerk früher als geplant nicht mehr gebraucht wird, weil die Erneuerbaren sich schneller entwickeln als erwartet, kann man es auch wieder vom Netz nehmen. Dafür muss der Betreiber dann einen Ausgleich bekommen. Sonst baut er erst gar keins.

Angeblich erwägt Vattenfall als Konsequenz aus dem Energiekonzept, keine neuen Kraftwerke mehr zu bauen und nach und nach aus der Kohleverstromung auszusteigen. Muss die Branche nicht genau darüber nachdenken?

Kohleverstromung verliert in Deutschland an Attraktivität. Die Akzeptanz in der Bevölkerung sinkt, die Kosten steigen durch den Klimaschutz, das Problem Abscheidung und Speicherung von CO2 aus Kohlekraftwerken ist noch nicht ganz gelöst. Das Energiekonzept lässt den Anreiz nun weiter sinken, weil Kernenergie eindeutig bevorzugt wird. Die Motivation, sich für Kohleverstromung zu engagieren, ist mit Sicherheit durch das Energiekonzept gesunken.

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13 Kommentare

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  • PM
    Peter Maas

    @Sebastian:

     

    "Mich würde mal interessieren ob es im Fall der Fälle in der taz auch Überschriften wie "Windkraft wird eindeutig bevorzugt" geben würde?"

     

    Natürlich. Warum nicht, wenn sie bevorzugt wird?

     

    "Diese versuchte Manipulation der Bevölkerung durch die taz ist einfach erbärmlich."

     

    Wo findet hier eine Manipulaton statt? Es hat ein Interview mit Herrn Vassilidis gegeben, in dem dieser sagt, dass Kernenergie gegenüber Kohleverstromung bevorzugt wird. Das ist die wesentliche Aussage und der rote Faden von Vassilidis' Ausführungen. Daher die Überschrift.

     

    "Manchmal hat man hier wirklich das Gefühl das ihr die BILD nachmachen wollt."

     

    Du kannst ja noch nicht mal Redaktionsmeinung und Interview-Aussagen auseinanderhalten. Deshalb lies besser BILD, denn da spielt dieser Unterschied eh keine große Rolle.

  • HR
    Hubert Rudnick

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    Kampf um das goldene Kalb

     

    Jede Regierung hat immer ihre eigenen Sponsoren und sie alle werden von den einzelnen Industriebrancen und anderen mit sehr vielen Parteispenden weiter am Leben erhalten.

     

    War es einst der Bergbau, Schiffbau und die Landwirtschaft, so sind es heute andere Industrie und Finanzbereiche, die mit ihren Spenden, die Regierungen zu ihren Gunsten agieren lassen, oder vielleicht auch nur an einer langen Leine führen.

     

    Wir sind doch schon toatl zu einer Lobbydemokratie verkommen, nicht der Wähler entscheidet was für eine Politik sie mit welcher Regieung sie haben wollen, sondern es sind die finanzstarken Wirtschaftsbereiche, die die Grundrichtung angeben.

     

    Wenn sich nun der Gewerkschafter aus dem Bergbau darüber aufregt, so kann man ihm nur sagen, dass seine Zeit schon längst vorbei ist.

  • N
    neutronenschnecke

    Jetzt fehlt nur noch: dieser Werbespot für fossile Energieträger wurde ihnen präsentiert von BP und dem Bier der Großbrauerei ihrer Wahl.

  • S
    Sebastian

    Irgendwas wird eh immer bevorzugt. Mich würde mal interessieren ob es im Fall der Fälle in der taz auch Überschriften wie "Windkraft wird eindeutig bevorzugt" geben würde?

     

    Diese versuchte Manipulation der Bevölkerung durch die taz ist einfach erbärmlich. Manchmal hat man hier wirklich das Gefühl das ihr die BILD nachmachen wollt.

  • KB
    Kai B.

    CO2-Endlager sind unbeherrschbar!

    Das abgespaltene CO2 ist nicht "sauber" und enthält noch bis zu ca. 5 Prozent giftige Schwermetallverbindungen. Und bei vielen Milliarden Tonnen CO2 geht es also auch um hunderte von Millionen Tonnen Schwermetalle.

    Diese CO2-Schwermetall-Endlager strahlen zwar nicht, wie Herr Vassilidis festgestellt hat, aber sie sind unbeherrschbar. Das verpresste CO2-Schwermetall-Gemisch kann sich, abhängig von der eingebrachten Menge, über hunderte von km ausbreiten. Über Millionen von Jahren weiß keiner, wo sich das Giftgasgemisch befindet, wo es überraschend Austritt oder Salzwasser in grundwasserführende Schichten verdrängt.

    Herr Vassilidis sollte mal erklären, was er machen will, wenn die betroffenen Menschen durch seine Vorschläge ihre existenzielle Lebensgrundlagen verlieren und ob dies aus seiner Sicht die Sache Wert war!

  • H
    Hahahahaha

    Ja, der "Kohlepfennig" ist toll, Kohle uweltfreundlich. Kohlekraftwerke produzieren weniger CO2 als Atomkraft, das hat uns ja bereits Kurt Beck erklärt. Physiker widersprechen oder lachen sich kaputt, aber was solls. Widersprechen tut die Realität auch, aber würden wir die beachten könnten wir ja gleich den Sozialismus in die Mottenkiste packen, AKWs mit dazu, und am Ende müssten wir sogar Sarrazin hier und da Recht geben. So weit kommts noch! Hotel-Subventionen würden im Staatsinteresse auch keinen Sinn machen und Lobbyismus generell auch nicht. Da behällt einfach jeder den Blödsinn der er mag. Angela Merkel die AKWs, Claudia Roth Multikulti, die FDP Guido Westerwelle, und Herr Michael Vassiliadis seine Kohle-Vision. Glück auf!

  • V
    vic

    ...sprach der Chef der Gewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie...

    Ganz tolle Idee, von Atom zu Kohle.

    Back to the Roots. Danke fürs Gespräch.

  • E
    EnzoAduro

    Das ist die Logik von Gewerkschaftlern. Ich vertrete Kohle, daher ist Kohleverstromung das beste. Deshalb ist Atom pfui. Ist doch lächerlich. Genauso wie die Idee von CCS. Dessen Realisierung ist genauso greifbar wie die Fusionstechnologie. Und die kommt ja auch in 30 Jahren. Das war vor 30 Jaren so und das wird in 30 Jahren auch so sein.

  • H
    HamburgerX

    Ich finde es auch unfassbar, wenn ständig die neuen Energien als Mantra hochgehalten werden, und ein Hauptproblem - die Speicherung großer Energiemengen für die Grundlast - noch überhaupt nicht gelöst ist!

     

    Das ist doch Harakiri. Wir werden das alles mit einem immens teuren Strompreis bezahlen. Ich möchte mehr Wissenschaft und Fakten und weniger Glaubensbekenntnisse à la Trittin.

  • A
    Atomkraftliebhaber

    Der AKW-Betreiber an sich und sein Förderer ist für mich höchst vertrauenswürdig. In nicht gekanntem Ausmaß. Schließlich kann er nichts dafür, daß der Strom an der Strombörse so teuer ist. Nicht, daß er und seine Herren Kollegen aus den andere Konzernen daran drehen würden, bewahre, das würde ich Ehrenmännern wie ihm nie unterstellen.

    Ebenso bin ich sicher, daß er bald seinen Garten für ein Endlager bereitstellen- und die Versicherungsprämie für die deutschen Atomkraftwerke von seinem Einkommen bezahlen wird. Den Witwen und Waisen der Kumpel, die im Ausland unser schönes Uran fördern, zahlt er eine lebenslange, üppige Rente. Weiterhin – so glaube ich – zahlt er gern für jedes Kind, das in der Nähe von AKW an Leukämie erkrankt, bis hin zu seiner Beerdigung.

    Im Falle eines Tschernobyls in Deutschland, wird er sicher auch den Wiederaufbau für die beiden Überlebenden bewerkstelligen. Aber, das müssen wir verstehen, dafür müssen die deutschen Strompreise tatsächlich die höchsten in Europa sein.

    Nun ist aber genug des Lobes!

  • M
    milo

    Nach Steuergeld schreien für neue Kohlekraftwerke die nicht gebraucht werden ist wohl unterste Schublade

     

    Auf die Idee die Kohlekracher nicht zu bauen und dafür EE zu puschen kommt der Gewerkschaftsbonze wohl nicht #Klientel-Lobbyismus hinter dem Deckmäntelchen der Arbeitnehmervertretung #Pfui

  • EM
    Eberhard Meißner

    Wer über CCS schwadroniert, sollte mal zur Schule gehen. Möglichst nicht auf eine Gewerkschaftsschule. Schon alleine die Tatsache, das dass verflüssigte Kohlendioxyd die vierfache Masse der verbrannten Kohle einnimmt, lässt diese Wahnsinnsidee scheitern. CO2 ist schwerer als Luft. Bei einem Entweichen aus den "Endlagern" (micht Speicher, wozu auch) bleibt es am Boden und vernichtet alles Leben. Erst die Mäuse, dann die Hunde und Katzen, dann die Kinder und Erwachsenen. Fliehen ist unmöglich, man fällt einfach um Autos bleiben stehen, Hubschrauber stürzen ab. Dann gute Nacht.

  • MW
    Maya Wolkenstein

    Auch Kohle und Gas können leider verstrahlt sein, wie auch Holz...

    Denke, dass wir dringend "Kernphysikfachkräfte" brauchen, um eine andere Technologie zu entwickeln:

    Die risikofreie "Spaltungsenergieproduktion" ohne Uran zu benötigen, für alle einfach zu verstehen, und natürlich ohne das Anfallen von "Restmüll".

    Müsste doch möglich sein, auch die weltweit durchweg problematischen Kernkraftwerke dahingehend umzurüsten.

    Oder? Mit sonnigen grünen Grüßen !!! M. W.