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Gewehre, Ganoven und Gold

„Guns, Goons and Gold“, zu deutsch etwa „Gewehre, Ganoven und Gold“, galt auf den Philippinen jahrzehntelang als todsichere Mischung, um Wahlen zu gewinnen. Der Entscheidungsspielraum des beteiligten Volkes bewegte sich zwischen zwei Parteien der Elite, den Nationalisten und den Liberalen, die einander so ähnlich waren, daß ihre Mitglieder ohne ideologische Verwirrung alle paar Jahre das „Bäumchen–wechsle–dich–Spiel“ betreiben konnten. Die wenigen patriotisch gesonnenen Kandidaten aus der Oberschicht wurden in der Regel frühzeitig kaltgestellt oder abgelöst. Wahlhelfer und Kandidaten, die sich weder von den angebotenen Geldsummen noch durch die Drohungen der zahlreichen Privatarmeen beeindrucken ließen, wurden vor jedem Urnengang zu Hunderten von angeheuerten Gangstern ins Jenseits geschickt. Das alles, so verkündete Präsidentin Corazon Aquino vor rund zwei Monaten zu Beginn des Wahlkampfes, solle diesmal ganz anders werden. Der Urnengang am kommenden 11. Mai solle der „sauberste der philippinischen Geschichte werden“. Die Realität der vergangenen Wochen zeigt, wie relativ die Einlösung derartiger Versprechen ist. Obschon offizielle Stellen und Kommentatoren übereinstimmend versichern, daß der Wahlkampf der friedlichste seit Menschengedenken sei, wurden in den vergangenen Wochen insgesamt mindestens 45 Menschen, darunter fünf Kandidaten und vier Bürgermeister, im Vorfeld des Urnenganges ermordet. Die Opfer der Gewalttaten waren durchweg Anhänger von Aquino nahestehenden Gruppen oder Mitglieder und Helfer der linken Partido Ng Bayan. Zeugenaussagen belegen, daß die Killer zum Teil Angehörige der Armee bzw. paramilitärischer Verbände waren. Der schwerwiegendste Vorfall ereignete sich gar mitten in der Hauptstadt, wo Ende April drei junge Wahlhelfer eines progressiven Kandidaten der Liberalen Partei von uniformierten Männer gekidnappt wurden. Wenige Tage später fand man ihre enthaupteten Körper neben einem Golfplatz, die dazugehörigen Köpfe auf einer Müllkippe. Neben den Morden gehören auch Einschüchterungen, Behinderungen und Gewalttätigkeiten aller Art nach wie vor zur Tagesordnung. Wiederum ist vor allem die Linke betroffen. Ihre Plakate werden zerstört, Materialien beschlagnahmt, Wahlhelfer geschlagen, Veranstaltungen wegen angeblich fehlender Erlaubnis aufgelöst. In den Armenvierteln von Manila führte die gefürchtete Polizeieinheit Blue Eagles mehrere Razzien durch, Parteibüros wurden durchsucht und eine Reihe Jugendlicher PNB–Anhänger unter der Anschuldigung festgenommen, sie gehörten Liquidierungseinheiten der linken Guerilla an. Die Verhafteten bestreiten dies kategorisch, und in der Tat scheint der Vorwurf absurd. Im Gegensatz zur Boykottpolitik bei den Präsidentschaftswahlen 1986 und dem Plebiszit über die neue Verfassung im Februar dieses Jahres hat die Linke nämlich diesmal zahlreiche Kandidaten ins Rennen geschickt. Die NPA–Guerilla kündigte an, sie werde am Wahltag nicht zu den Waffen greifen, es sei denn gegen „Kriegsherren, Privatarmeen und rechte Bürgerwehren“, die versuchen, die Wahlen zu manipulieren.

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