Gewalthilfegesetz in Berlin: Besser spät als nie
Berlin erhält durch das Gewalthilfegesetz Bundesmittel für den Ausbau von Frauenhäusern und Beratungsstellen. Initiativen sind skeptisch.
Das Anfang 2025 im Bundestag verabschiedete Gesetz schreibt einen Rechtsanspruch auf Beratung und Schutz für Frauen fest, die von geschlechtsspezifischer Gewalt betroffen sind. Antigewaltarbeit wird damit erstmalig zur Pflichtaufgabe der Länder und ist keine freiwillige Leistung mehr. Das ist dringend notwendig: In Berlin ist die Zahl der weiblichen Betroffenen von Straftaten in den letzten 4 Jahren um 8 Prozent gestiegen. Im Schnitt wird jeden Monat eine Frau umgebracht. Das ging aus einer schriftlichen Anfrage der Grünen-Fraktion hervor.
Mit dem Gewalthilfegesetz stellt der Bund über 10 Jahre 2,6 Milliarden Euro für die Finanzierung von Frauenhäusern und Beratungsstellen bereit. Berlin bekommt bis zu 150 Millionen Euro. Die Mittel fließen in den Landeshaushalt. Wie sie verteilt werden, entscheidet das Land selbst.
Sorge, dass kleine Antigewaltprojekte leer ausgehen.
Ab 2026 müssen die Länder eine Bedarfsplanung vorlegen. Und der Bedarf ist überall hoch – vor allem, weil viele Projekte unter den Kürzungen des Senats leiden: Täterarbeit, Präventions- und Beratungsangebote, Frauenhäuser sowie Fachstellen für Betroffene. Die Sorge der Zivilgesellschaft: dass die Mittel vor allem an große Träger fließen und kleine Antigewaltprojekte leer ausgehen.
„Uns wird in Aussicht gestellt, dass es ab 2027 eine stetige Finanzierung gibt, weil dann Bundesmittel fließen“, sagt Nua Ursprung von der Berliner Initiative gegen Gewalt an Frauen. Auch ihr Projekt ist von den Kürzungen betroffen. Doch sie warnt: „Mit diesen Geldern muss die Infrastruktur ausgebaut werden – nicht bestehende, unterfinanzierte Projekte gestopft werden.“ Haghanipour versichert: „Unser Anspruch ist, dass diese Mittel zusätzlich fließen und dafür keine Landesgelder eingespart werden.“
Die Zivilgesellschaft kritisiert zudem, dass der Rechtsanspruch nur für Frauen gilt, nicht für trans-, inter- und nichtbinäre Personen. Auch Frauen mit unklarem Aufenthaltsstatus sind nicht berücksichtigt, Forderungen nach verpflichtender Täterarbeit oder elektronischer Überwachung wurden gestrichen. Lisa Paus räumt ein: „Es gab schmerzliche Einschnitte. Dieses Gesetz löst nicht alle Fragen.“ Dennoch sei das Gesetz ein Durchbruch – nach 40 Jahren.
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