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Gewaltdebatte im deutschen Fußball"Drangsalierung statt Dialog"

Pyrotechnik erlauben? Stehplätze verbieten? Vertreter des DFB und der DFL bekennen sich vor einem Fankongress zwar zum Dialog – drohen aber mit Repressalien.

Polizei in Kampfmontur im Stadion – das sieht keiner gern, egal ob Fans, Offizielle oder die Polizisten selbst. Bild: dpa

Es ist eine Veranstaltung, die für den Fußball und seine Fans wegweisend sein kann: Im einst größten Kino der ehemaligen DDR, dem zur Event-Location umgebauten Kosmos an der Karl-Marx-Allee in Berlin, findet am Samstag und Sonntag ein Fankongress statt, der auf Kommunikation statt Konfrontation setzt. Und auf eine gleichberechtigte Auseinandersetzung mit der vielschichtigen Problematik.

Gerade erst hat der Gewaltexzess beim Hamburger Hallenturnier Schweinske-Cup die jahrzehntelang gepflegte Tradition einer familienfreundlichen Veranstaltung konterkariert und deutlich gemacht, dass es mit reflexartigen Forderungen nach noch mehr Repressionen nicht getan ist.

"Dass ein Diebstahl eines Banners in die totale Eskalation bei einem Hallenturnier mündet, ist nicht akzeptabel. Wir wollen einerseits die einzigartige Fankultur in Deutschland erhalten. Andererseits sollen weder Repressionen noch widerrechtliche Handlungen der Fanszene diese selbst gefährden", sagte Holger Hieronymus, das für den Spielbetrieb zuständige Vorstandsmitglied der Deutschen Fußball-Liga (DFL) am Dienstag bei einem vierstündigen Hintergrundgespräch in Frankfurt.

Der Exprofi ist bei dem von der bundesweiten Faninitiative ProFans organisierten Kongress ebenso als Referent eingeladen wie Hendrik Große Lefert, der neuen Sicherheitsbeauftragten des Deutschen Fußball-Bundes (DFB). Der Gesprächs- und Klärungsbedarf ist nämlich gewaltig.

Neuer Tiefpunkt

Das Jahr 2011 manifestierte einen Tiefpunkt: Ausschreitungen, Krawalle und Bestrafungen bestimmten die Berichterstattung und schädigten das öffentliche Bild des friedlichen Teils der Anhängerschaft. "Der Alltag von Fans ist bestimmt von Drangsalierung statt Dialog", bemängelt die Faninitiative. "Es wird nur von Partnerschaften zwischen den Verbänden, Vereinen, Sicherheitsorganen, Fernsehanstalten und Sponsoren gesprochen. Fans werden nicht als Gesprächspartner auf Augenhöhe akzeptiert."

Genau deshalb sind Hieronymus und Große Lefert nun in der Hauptstadt dabei: "Wir müssen und wollen miteinander sprechen, damit uns die Themen und Werte nicht wegrutschen." Die Fülle an Verfehlungen hatte nicht nur die Gründung einer Task Force Sicherheit zur Folge, sondern auch die Politik alarmiert, die bei der Innenministerkonferenz der Länder bereits über die Abschaffung der Stehplätze debattiert hat, wie Hieronymus einräumte. Ein Horrorszenario für die Fankultur.

Für die Stehplätze treten DFB- und DFL-Vertreter weiterhin ein – nicht aber für Pyrotechnik. "Höchster Sicherheitsanspruch und der Einsatz von Pyrotechnik im Stadion sind nicht vereinbar", so Große Lefert. Der 37-Jährige ist erst seit drei Monaten im Amt und versucht sich im Grunde gemeinsam mit dem DFL-Kollegen Thomas Schneider ("Ultrakultur ist Protestkultur: Da geht es viel um Deutungshoheit") an der Quadratur des Kreises.

Große Lefert will die "Entwicklung in anderen Ländern, die ganz stark repressiv ausgerichtet sind", zwar nicht kopieren, aber er kündigt gleichfalls an: "Leute, so kann es nicht weitergehen, ihr müsst euch überprüfen. Und wir müssen den Fans deutlich machen: 'Wenn ihr das macht, erwartet euch das.' "

Geisterdebatte weckte falsche Hoffnungen

Das Abbrennen bengalischer Feuer in vielen Stadien gilt indes als zusätzliche Protestnote, weil sich über den Sommer mit Fanvertretern und DFB und DFL eine Geisterdebatte streckte, die falsche Hoffnungen bei einem Teil der Ultragruppierungen weckte.

Selbst Michael Gabriel, Leiter der Koordinationsstelle Fanprojekte (KOS), sprach offen davon, dass sich die damals beteiligten Fanvertreter "verschaukelt" vorgekommen sein müssten. Missverständnisse räumten die Funktionäre nun rückblickend ein, "das ist nicht gut gelaufen" (Hieronymus). Dennoch gelte: "Wir bleiben gern mit den Fans im Gespräch – aber nicht über Pyrotechnik."

Wie zum Beleg hat der 52-Jährige dazu eine Episode parat: Als er vor Silvester im Supermarkt war, legte ihm seine Frau ein Sortiment an Feuerwerkskörpern in den Einkaufswagen. So rasch wie die Dinger in seinen Korb gelangten, seien sie wieder ins Regal gewandert. "Mittlerweile hege ich gegen Pyrotechnik eine gewisse Phobie. Stellen Sie sich mal vor, dass es heißt: Der Hieronymus zündelt!'"

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4 Kommentare

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  • S
    Stefan

    Die Profivereine zahlen jedes Jahr Millionen Euro an Steuern. Die Forderung, ihnen zusätzlich dazu noch die Kosten für zumeist völlig überdimensionierte Polizeieinsätze aufzubrummen, ist so alt wie sinnfrei. Dadurch würde sich die Gewalt nur verlagern.

  • J
    Jörgkrauß

    Also ich geb Rainer recht, das wir ein großes Problem innerhalb des Umsatzgiganten Profitfussball haben. Auf eine Art Zuende gedacht würde die Kostenübernahme durch die Vereine schlussendlich dazu führen, das Gewalt und Pyrotechnik aus den Stadien zwar verschwindet, auch und durch massiven Einsatz an Finanzen und, nein, nicht durch den Einsatz der Polizei, sondern durch private Sicherheitsfirmen, was sich in immer höheren Preisen nicht nur im Stadion niederschlagen wird. Auch eine Art von Wachstumsbeschleunigung. Ich denke aber, da findet nur eine Gewalt und Aggressionsverlagerung an andere Orte ausserhalb der Stadien statt, die dann widerrum Finanzen und tatsächlich Polizei erfordern. Also aus meiner Sicht gibt es 2 Ebenen die Dinge zu diskutieren. Die Ebene die den weiter steigenden Umsätzen der KG‘s auf Aktien, den Vereinen) geschuldet ist, oder die Ebene die auf Kultur und den Fan an sich den größten Weg legt. Kostet etwas mehr Zeit und sicher viel Geld. Dieses Geld sollte man u.a. bei den 36 Proficlubs und bei Uefa und Fifa einklagen, da diese Organistaionen den Ist Zustand überhaupt mit der max. globalen Professionalisierung dieser Sportart geleistet haben. Flappsig gesagt, wer Fans als Fassade benötigt um seine Milliardengeschäfte relativ unbeobachtet von der Öffentlichkeit weltweit durchzuführen, der soll gefälligst für alle entstehenden Schäden seiner Geschäftstätigkeiten auch haften und zwar zu 100%.

  • R
    @Rainer

    ihr kommentar ist ja an billigem populismus und unwissenheit bzw. Ignoranz kaum zu überbieten.zum einen: die polizeibeamten werden immer bezahlt.ob sie nichts-tuend auf ihrer wache sitzen oder vor den stadien in ihren bussen.kosten für einzelne einsätze sind immer rein fiktive und rein theoretischer natur.also sollte mensch nicht über kosten diskutieren,denn dann würde ich als mensch der kein auto fährt verlangen,dass menschen eine extra polizei-steuer zahlen,da diese sich dort auch um unfälle und staus etc kümmern muss.desweiteren lösen sie damit kein problem das sich quer durch die gesellschaft zieht.eine gewaltdebatte im fußball sollte immer im gesamtgesellschaftlichen kontext betrachtet werden.auch international!und wer pyrotechnik illegalisiert hats natürlich sehr einfach diese als gewalt darzustellen.dass in 99% aller fälle nichts passiert wird ja hier gar nicht dargelegt.im gegenteil,es wird so getan als wäre die pyrotechnik ursprung allen übels.dabei ist sie ausdruck von emotion.und wenn diese emotion agressiv ist,sollte sich mal die gesellschaft fragen wieso die jugend und junge erwachsene,ja eigentlich sogar alle altersgruppen,immer gewalttätiger werden.aber klar....repression hilft immer weiter.die USA haben ja auch nur deswegen eine solch "niedrige" mordrate,weil die todesstrafe so krass abschreckt...

  • R
    Rainer

    Ich denke man sollte jedes mal wenn es Ausschreitungen gibt, die Kosten für den kompletten Polizeieinsatz, dem entsprechenden Verein auferlegen. Dann würden die entsprechenden Fans selber entscheiden dürfen wie lange "ihr" Verein noch Geld genug hat um zu existieren.

    Ich glaube jedenfalls, es wäre ein gutes Signal wenn der erste Verein durch so eine Maßnahme verschwinden würde.

    Auch bin ich nicht bereit die Kosten für diese Art von Spektakel mitzutragen. Wenn Deutschland sich sowas leisten kann, aber bei Bildung und z.B. Schulspeisungen spart, stimmt irgendwas nicht.