: Gewalt „nur die Spitze eines Eisbergs“
■ Jahresbericht über Diskriminierungen von Ausländern gefordert
Berlin (epd) — Vertreter aller politischen Parteien und der evangelischen Kirche haben die Ausländerbeauftragten der Länder und Kommunen aufgefordert, einen jährlichen „Diskriminierungsbericht“ über die täglichen Benachteiligungen ausländischer Mitbürger in Deutschland anzufertigen. Damit folgten sie am Donnerstag in Berlin der Empfehlung einer internationalen Konsultation, die Anfang März Thesen zum Schutz gegen Diskriminierung ethnischer Gruppen aufgestellt hatte. Darin wird unter anderem empfohlen, Unrecht festzuhalten und in Diskussionen mit Arbeitgebern, Medien, Vermietern und Behörden auszuräumen.
Der Synodalpräses der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und SPD-Bundestagsabgeordnete Jürgen Schmude sagte, daß die Gewalttaten in der Vergangenheit „nur die Spitze eines Eisberges“ seien. Die gegenwärtige „Brutalisierung“ unter Menschen verschiedener Hautfarbe, Herkunft und Sprache in Deutschland sei die Frucht vergangener Versäumnisse, Gerechtigkeit herzustellen. Die Kirchen müßten dazu deutlich Stellung beziehen, könnten aber nicht ein „Reparaturbetrieb der Politik“ sein. Beispielgebend nannte Schmude die Gesetzgebung gegen die Ausländerdiskriminierung in den traditionellen Einwanderungsländern.
Ein Wahlrecht für Ausländer, die bereits seit mehreren Jahren in Deutschland lebten und hier ihren „Lebensmittelpunkt“ hätten, forderte die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende im Deutschen Bundestag, Herta Däubler-Gmelin. In den Beziehungen zwischen Deutschen und Eingewanderten dürfe es bei allen Unterschieden keine Benachteiligungen geben.
Der stellvertretende FDP-Vorsitzende Gerhart Baum warnte davor, die Ausländer zum Sündenbock der Nation zu machen. Der Bevölkerung müsse erklärt werden, daß Ausländer in Deutschland gebraucht werden. Die in den letzten Wahlen deutlich gewordene Vertrauenskrise zwischen den Parteien und der Öffentlichkeit seien das Resultat einer politischen „Heuchelei“. Damit, so Baum, müsse jetzt endlich Schluß sein.
Obwohl Deutschland 1969 das „Internationale Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung“ vom März 1966 unterzeichnet habe, gebe es in Deutschland nach wie vor „ein Stück Apartheid“, beklagte die Ausländerbeauftragte des Berliner Senats, Barbara John. Gegen diese „schleichende Entwertung von Menschen“ müsse energisch vorgegangen werden.
Nach Ansicht des Studienleiters der Evangelischen Akademie Tutzing, Jürgen Micksch, habe gerade die bisherige Asyldebatte einen „tiefgehenden Schaden“ unter den Deutschen angerichtet. Micksch forderte deswegen zu einer „breiten gesellschaftlichen und politischen Diskussion“ über diese Themen auf.
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