■ Überfälle auf Camping-Touristen in Mecklenburg: Gewalt ist geil
Jugendliche haben andere Jugendliche verprügelt. So etwas gab es schon im Neolithikum. Kein Wunder, daß das jetzt auch auf Campingplätzen in Mecklenburg-Vorpommern vorkommt. Muß da nach einem „Hintergrund“ gesucht werden. Politisch? Privat? Flüssige Drogen? Einfach nur so? Oder alles zusammen?
Die Täter, das hat die Polizei in akribischer Recherche herausgefunden, trugen keine langen Haare, waren nicht bekifft und riefen nicht „Hoch die internationale Solidarität!“ Die Angreifer warfen auch nicht mit Pudding, sondern benutzten Baseballschläger und Eisenstangen. Was sagt uns das? Ganz einfach: Wenn afrodeutsche oder Jugendliche, die „südländisch“ aussehen, in den neuen Bundesländern auf öffentlichen Plätzen in kleineren Städten oder auf dem Land auftauchen, müssen sie damit rechnen, angepöbelt zu werden. Man dürfe die Bevölkerung, hat der PDS- Bürgermeister von Hoyerswerda mahnend und sinngemäß zu bedenken gegeben, mit zu vielen Fremden nicht „überfordern“. Und wenn Jugendliche, die unauffällig aussehen, den eingeborenen besoffenen Glatzen zu verstehen geben, daß sie mit Rassisten und Antisemiten nicht gemeinsam feiern wollen, dann fühlen die sich provoziert. Sie holen Gleichgesinnte und nehmen Rache – selbstredend ohne „politische Motive“, meint die Polizei.
Gewalt ist geil. Sie verschafft den Machtlosen Macht. Sie bietet den Thrill dort, wo die Bürgersteige gar nicht erst heruntergeklappt werden. Dazu braucht man kein politisches Motiv. Opfer wird, wer zufällig da ist. Oder jemand, den unsere (Innen-)Politiker Jugendlichen als Problem geschildert haben, Immigranten etwa oder ganz allgemein Fremde, auch wenn die nur aus Kleve kommen und der Katholischen Jugend angehören.
Ein Immobilienhai braucht auch kein politisches Motiv für ökonomische Gewalt. „Je ein Kapitalist schlägt viele tot“ ist das Motto unser Gesellschaft, sagte schon Karl Marx. Wer verliert, ist selber schuld. Und wer arbeitslos wird, auch. „Jugend trainiert für das Leben“ ist das Motto in Mecklenburg-Vorpommern. Und nicht nur dort. Burkhard Schröder
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen