Gewalt in Kenia: Blogger setzen Straßenkampf fort
Seit Beginn der Unruhen herrscht in Kenia eine Nachrichtensperre. Aktuelles und Provokatives finden Leser vor allem im Netz.
NAIROBI taz | Nach der überstürzten Vereidigung des umstrittenen Präsidenten Mwai Kibaki, dessen Wahlsieg die Opposition und internationale Beobachtergleichermaßen anzweifeln, dauerte es kaum 30 Minuten: Dann verkündete Kenias Informationsminister eine Nachrichtensperre. Doch Kenias Blogger widersetzen sich der Zensur.
Seit dem 30.12.2007 darf in Kenia nichts mehr live übertragen werden, weder im Fernsehen noch im Radio. Damit soll vor allem verhindert werden, dass missliebige Bilder von Protesten der Opposition ausgestrahlt werden. Dass die Direktoren der größten Medienhäuser das Verbot inzwischen ignorieren, macht die Lage nicht besser: Aus vorauseilendem Gehorsam, und weil die Regierung wegen des latenten Gesetzesverstoßes jederzeit die Übertragung abstellen könnte, ist die Berichterstattung überwiegend regierungsfreundlich, kritisieren Bürgerrechtler.
Dazu kommen bezahlte Anzeigen: Selbst im kritischsten Radiosender Kiss100 rufen weinende Kinder im Auftrag des Informationsministers die Opposition dazu auf, ihre Proteste einzustellen: "Baby does not get food because people demonstrate. Baby hungry".
Willkommen in der Gerüchteküche
Weil es in den gedruckten und ausgestrahlten Medien so wenig Informationen gibt, sind Kenianer auf andere Quellen angewiesen. Per SMS - fast jeder Kenianer hat ein Handy - machen haarsträubende Gerüchte die Runde, ebenso wie gut gemeinte Ratschläge. Auch rassistische Aufrufe gibt es immer wieder: "Hack Deinem nächsten Kikuyu die Beine ab", hieß es in einem, der kurz nach Kibakis Sieg kursierte - Kibaki ist Kikuyu, in weiten Teilen Kenias wurde seine Volksgruppe brutal verfolgt.
Die einzige Alternative sind Kenias BLOGs. Obwohl Internetverbindungen in Kenia meist abschreckend langsam sind, herrscht in Nairobis Internetcafés derzeit ein Andrang wie nie. Ein, zwei Stunden muss man sich schon die Beine in den Bauch stehen, um endlich das Neueste auf einem der angesagten Infoforen zu lesen.
Straßenkampf im Netz
Der Straßenkampf zwischen Regierung und Opposition spiegelt sich in den BLOGs wieder. "Der König der Diebe, Mwai Kibaki, ist auf unermüdlicher Mission, um die Wähler auszuschalten, die ihn mit überwältigender Mehrheit abgewählt haben", schreibt Gerald Baraza auf seinem BLOG (http://geraldbaraza.blogspot.com/). Wie viele Autoren, so ist auch er Auslandskenianer.
Dagegen hat Mrembo kein gutes Wort für Oppositionsführer Raila Odinga übrig, der den Wahlsieg für sich in Anspruch nimmt: "Ich habe Odinga bei der BBC gesehen, und jetzt dreht der Idiot endgültig durch und fordert, dass uns internationale Hilfen gestrichen werden." (http://mrembo.wordpress.com/).
Gegen ethnische Verfolgungen
Doch außer mehr oder weniger unterhaltsamen Verunglimpfungen von Kenias politischem Spitzenpersonal beherrscht vor allem ein Thema die Beiträge: Die politisch angeheizten ethnischen Verfolgungen. "Wie mutig ist es denn bitte schön, unbewaffnete und vollkommen unschuldige Kikuyu, Kisii, Meru oder Embu an Orten zu überfallen, wo sie eine verschwindende Minderheit darstellen?", fragt Cicerow auf mashada.com (http://www.mashada.com). Mashada ist einer der wenigen BLOGs, wo sich Autoren an ein Minimum von Regeln halten müssen. Rassistische Posts und der Aufruf zur Gewalt sind etwa verboten.
Justice auf kenya.rcbowen.com (http://kenya.rcbowen.com/) hingegen schreibt ungehindert: "Die Kalenjin sollen umgehend all das Land wieder besetzen, dass Kenyatta seinen Kikuyu geschenkt hat." Ähnliche Töne schlagen Kalenjin-Milizen in Eldoret an, wo sie die Bevölkerungsmehrheit stellen.
Es wird scharf geschossen
Die meisten Kikuyu sind inzwischen geflohen, der Rest hat sich in Lagern verschanzt. Während die Kalenjin als Oppositionsanhänger gelten, macht Pea auf Shirels BLOG (http://wendwa.yakuti.org/) auch die Regierung für ethnisch aufgeheizte Ausschreitungen verantwortlich: "Es ist eine gewisse ethnische Gruppe (Luo wie Odinga), auf die in Kisumu und in Kibera, Nairobis größtem Slum, scharf geschossen wird. Es ist die gleiche ethnische Gruppe, die nicht mit einem Posten in Kibakis Regierung vertreten ist."
Doch mehr und mehr weichen die kämpferischen Ausbrüche hoffnungslosen Tönen. Shiroh auf "Girl in the Meadow" (http://sylkwan.blogspot.com/) verzweifelt über den Zustand der Gerichte in Kenia: "Mir wird schlecht,wenn ich eine Million Menschen sagen höre, dass unser Justizsystem nicht funktioniert. Aber ich muss auch zustimmen." In einem anderen Beitrag schreibt Shiroh: "Als die Polizei uns aufrief, die Innenstadt von Nairobizu verlassen, wusste ich nicht: Soll ich gehen? Soll ich bleiben? Ist es im Büro vielleicht sicherer als zuhause?"
Hoffnungslosigkeit macht sich breit
Und WM schreibt im "Tagebuch einer verrückten Kenianerin", einem BLOG der kenianischen Literaturszene (http://madkenyanwoman.blogspot.com): "Bevor wir nach den Wahlen die Fundamente unserer Heimat zertrümmert haben, hatten manche eine wunderschöne Idee: Eine Geburtstagsparty für Kenia zu organisieren, das 2013 50 Jahre alt wird." Das daraus noch etwas wird, kann man sich derzeit auch im Web niemand vorstellen.
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