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Gewalt in InguschetienHaus des Präsidenten unter Beschuss

In Nasran werden ein Verwandter des Präsidenten und ein Forscher ermordet. Menschenrechtler berichten von Verhaftungen, Folter und illegalen Hinrichtungen.

Unruhiges Inguschetien: Schon im Mai 2006 wurde der damalige Innenminister Jabrail Kostoyev Opfer eines Attentats, bei dem insgesamt sieben Menschen starben. Bild: dpa

BERLIN taz Die 300.000 Einwohner zählende russische Nordkaukasusrepublik Inguschetien kommt nicht zur Ruhe. Am Mittwoch wurde der Rektor des Instituts für Wirtschaft und Rechtskunde in Inguschetien, Sulambek Chaluchajew, in der ehemaligen Hauptstadt Nasran erschossen. Wenige Stunden zuvor war ebenfalls in Nasran Bekchan Sjasikow, ein Vetter des inguschischen Präsidenten Murat Sjasikow, einem tödlichen Anschlag zum Opfer gefallen. Dies berichtet die Nachrichtenagentur RIA Nowosti. Die Mörder hatten den Zeitpunkt sorgfältig gewählt: Bekchan Sjasikow wurde am Geburtstag von Präsident Murat Sjasikow ermordet. Auch ein Racheakt für den am 31. August getöteten Betreiber der Internet-Seite ingushetiya.ru, Magomed Jewlojew, wird nicht ausgeschlossen. Mehrere Redner hatten an dessen Grab Blutrache an der Familie Sjasikows gefordert.

In der Nacht von Mittwoch zu Donnerstag, so das Nachrichten-Portal ingushetiya.ru, wurden die Häuser von Präsident Sjasikow und dessen Verwandten in einem Nasraner Vorort 20 Minuten lang mit Granaten beschossen. In den letzten acht Monaten, so ein Vertreter der russischen Staatsanwaltschaft, wurden in Inguschetien 114 Anschläge auf Angehörige der staatlichen Sicherheitskräfte und Militärs verübt, dabei verloren 38 Menschen ihr Leben, 120 wurden verletzt.

Bereits im Februar hatte die russische Menschenrechtsorganisation Memorial in einem 100-seitigen Bericht vor der zunehmenden Gewalt in Inguschetien gewarnt. Bürgerliche Freiheiten, wie Versammlungsfreiheit und Pressefreiheit, würden immer weiter eingeschränkt, so der Memorial-Bericht. Oleg Orlow, der Vorsitzende des Menschenrechtszentrums Memorial, kam bereits im Februar zu dem Schluss, dass der Kampf gegen den Terror, so wie er von den Sicherheitskräften in Inguschetien geführt werde, zu einer weiteren Zunahme von Gewalt führen werde.

Orlow weiß, wovon er spricht. Im November vergangenen Jahres waren er und zwei Journalisten von Sicherheitskräften aus einem Hotel in Nasran entführt und von diesen misshandelt worden. Ljudmilla Alexejewa, die Vorsitzende der Moskauer Helsinki-Gruppe, warnte gestern in einem Gespräch mit dem Sender Deutschen Welle, der Konflikt zwischen Regierung und Opposition könne zu massenhaftem Blutvergießen führen.

Inguschetien steht derzeit bei Menschenrechtsverletzungen an der Spitze aller nordkaukasischen Republiken. Entführungen, Folter und außergerichtliche Hinrichtungen, so Memorial und Human Rights Watch, hätten inzwischen ein Ausmaß erreicht, wie man es in der Vergangenheit aus Tschetschenien gekannt habe.

"Die Aufständischen töten friedliche Zivilisten, sie töten Russen, Koreaner und Inguschen. Und wir haben uns entschieden, ihnen mit den gleichen Methoden zu antworten. Genauer gesagt, nicht wir, sondern der Präsident der Russischen Föderation Wladimir Putin", zitiert die Menschenrechtsorganisation Memorial in ihrem Bericht den Pressechef des Inlandsgeheimdienstes FSB, der damit Anfang des Jahres die Menschenrechtsverletzungen der staatlichen Sicherheitsorgane im Kampf gegen den Terror zu rechtfertigen versucht hatte.

Noch bis 2002 galt Inguschetien als sicherer Ort. Doch nachdem Präsident Ruslan Auschew von Moskau zum Rücktritt gezwungen wurde und der Geheimdienstgeneral Murat Sjasikow im April 2002 an die Macht kam, war es damit vorbei. Immer häufiger verschwanden Menschen nach Verhaftungen. Folter und außergerichtliche Hinrichtungen waren nun an der Tagesordnung. Allein im letzten Jahr, so die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch, seien vierzig Menschen von staatlichen Sicherheitskräften ohne Gerichtsverfahren hingerichtet worden. Die Gewalt auf beiden Seiten, bei den staatlichen Sicherheitskräften und den Aufständischen, nimmt setig weiter zu. Leidtragende ist die Zivilbevölkerung. BERNHARD CLASEN

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