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Gewalt im Frauenfußball„Kein männliches Privileg“

Gunter A. Pilz gilt als Deutschlands renommiertester Fan-Forscher. Ein Gespräch über weibliche Hooligans, lange Fingernägel und enthemmte Gewalt außerhalb der Fußballstadien.

Kein Mädchentennis: Vicky Exley kriegt was ab von Eva Gonzalez (r.) und Mariela Coronel beim Gruppenspiel England gegen Argentinien bei der WM 2007. Bild: ap
Interview von Steffi Dobmeier

taz: Herr Pilz, Gewalt im Frauenfußball – gibt es so etwas überhaupt?

Gunter A. Pilz: Natürlich gibt es das. Allerdings ist der Frauenfußball mit dem Männerfußball nicht zu vergleichen, vor allem nicht, was die gesellschaftliche Aufmerksamkeit angeht. Es geht im Männerfußball um viel mehr – deshalb ist dort die Gewalt auch größer.

Heißt das, Gewalt gibt es vor allem dort, wo der Preis am höchsten ist?

privat
Im Interview: 

GUNTER A. PILZ, 55,ist Soziologe an der Leibniz Universität in Hannover. Er gilt als Deutschlands renommiertester Fan-Forscher.

Grundsätzlich gilt: Je wichtiger das Ergebnis ist, desto schwieriger wird es, fair zu spielen.

Das aber gilt doch für Frauen und Männer gleichermaßen.

Auf jeden Fall. Das sieht man beim Boxen, beim Handball, in der Leichtathletik. Frauendoping etwa ist genauso weit verbreitet wie Männerdoping. Man kann nicht extrem erfolgreich sein und gleichzeitig auf jede Form von Aggressivität und Gewalt verzichten.

Nun gelten Frauen ja als schwächer . . .

. . . was sie rein körperlich aufgrund ihrer Statur und ihrer Kräfte auch sind. Aber es kommt auch auf die Sportart an. Beim Frauenhandball etwa werden vor Spielbeginn die Fingernägel kontrolliert, weil Frauen ihre Nägel gerne gegen die Gegnerinnen einsetzen. Frauen haben also auch ganz andere Waffen.

Fingernägel kommen im Fußball eher weniger zum Einsatz, aber so brutal wie die Männer gehen die Frauen doch wohl nicht miteinander um.

Oh doch, das täuscht. Frauenfußball ist ganz schön körperbetont geworden, was die Zweikämpfe angeht. Zudem wird Frauenfußball immer athletischer, da wird sich in den kommenden Jahren also noch einiges tun.

Frauen sind also gar nicht weniger gewalttätig als Männer?

Gewalt ist nicht das Privileg des männlichen Geschlechts, sondern hängt davon ab, in welchem Handlungssystem man sich bewegt. Wenn ich erfolgreich sein will, erreiche ich das nicht, indem ich lieb und nett bin. Wenn man andere Bereiche anschaut – häusliche Gewalt etwa – dann ist sehr deutlich, dass Frauen ähnlich gewalttätig sind wie Männer. Und was etwa psychische und verbale Gewalt wie Mobbing angeht, da sind Frauen den Männern haushoch überlegen.

Aber Hooligans und gewaltbereite Ultras gibt es im Frauenfußball nicht?

Nein, die gibt es nur bei den Männern. Das liegt schon alleine daran, dass Frauenfußball kein solches Massenphänomen ist. Hooligans suchen die Anonymität – die finden sie bei Frauenfußballspielen nicht, weil einfach nicht so viele Zuschauer da sind. Zudem sind Spiele von Frauen ein familiäres Ereignis, das Publikum ist viel gemischter, viele Kinder, viele Frauen. Eine ganz andere Atmosphäre. Allerdings gibt es durchaus Frauen, die als Hooligans im Männerfußball unterwegs sind. Dass auch Frauen gewalttätig sein können, hat schon der amerikanische Psychologe John Archer gesagt. Das sei der Preis der Emanzipation.

Hooligans finden beim Frauenfußball aber demnach niemanden, mit dem sie sich messen können?

Ja, so könnte man das sagen. Hooligans suchen natürlich Leute mit einer ähnlichen Grundeinstellung. Die finden sie dort nicht.

Die Sicherheitsvorkehrungen in den Stadien sind in den vergangenen Jahren immer weiter verschärft worden. Verlagert sich die Gewalt nach außen?

Ja, das ist so. Und damit wird es natürlich schwieriger, die Gewalt zu kontrollieren. Außerhalb der Stadien ist Gewalt viel enthemmter, sie unterliegt der sozialen Kontrolle nicht in gleichem Maße. Stadien sind überschaubar, es gibt Ordner, und man kann Störer relativ schnell dingfest machen. Das geht außerhalb natürlich nicht so einfach. Man kann nicht hinter jeden Fan einen Polizisten stellen.

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5 Kommentare

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  • AK
    Anja Kethendörfer

    Wow,

    Ich hatte Frauenfußball bisher immer als Familienereignis gesehen. Wenn die Gewaltbereitschaft bei Frauen und Männern 50:50 verteilt ist, muss ich mir nun auch bei Frauenspielen Gedanken machen?

     

    Grüße

    Anja

  • EL
    Eine Leserin

    "Man kann nicht extrem erfolgreich sein und gleichzeitig auf jede Form von Aggressivität und Gewalt verzichten."

     

    Gilt diese Aussage für den Sport oder allgemein?

    Definiere Aggressivität und Gewalt! Körperbetont spielen und gewinnen wollen ist etwas anderes als absichtlich brutal zu foulen. Allgemein stimme ich absolut nicht zu. Das würde heißen, dass alle erfolgreichen Menschen nicht nur ihre Kompetenz eingesetzt haben, um ihren Status zu erreichen, sondern auch Konkurrenten und andere Beteiligte in irgendeiner Form, sei es psychisch oder körperlich massiv manipuliert haben.

     

    Ich würde das "erfolgreich" streichen und dort "mächtig" einsetzen.

  • SB
    Siegfried Bosch

    Ich fass es nicht. Dass man so etwas in der TAZ lesen kann! Das hätte ich nie für möglich gehalten. Weiter so, TAZ.

  • H
    HannahWestphalica

    Wenn Frauen im Fußball Ihre Gewaltfantasien

    ausleben, ist das nur ein Zeichen das

    sie sich der männlichen Gewaltkultur anpassen

    ihr aber keine Alternative entgegensetzen können.

     

    Die Verherrlichung des körperbetonten oder

    foullastigen Spieltyps, das Fördern von

    Doping und seelischer Gewalt ist nicht

    ein Zeichen weiblicher Emanzipation, sondern

    ein Zeichen der Hörigkeit gegenüber der männlichen

    Kultur mit dem Ziel, sie darin noch zu übertreffen.

     

    Anstatt eine Kultur, eine Sporttechnik zu perfektionieren und dabei sich als Kollektiv

    seelisch zu schonen und beruflich zu engagieren,

    fixieren sie sich ebenso wie die Männer neuerdings auf einen kurzfristigen Erfolg.

    Man weiß ja nicht, was morgen passiert.

    Diese Spielerkultur ist nur scheinbar rational,

    aber in Wirklichkeit eine spielergemeinschaftzerstörende

    Belastung mit wenigen wirklichen Siegern.

     

    Die vielen Sportverletzungen im männlichen Profisport

    mit langfristigen Schäden über die

    Sportepisode hinaus mit seltenster echter

    Virtuosität, aber viel talentmäßigen Geacker,

    werden ein dauerhaftes die Lebensqualität minderndes

    Übel sein.

     

    Emanzipation heißt Befreiung und ist nicht nur

    auf Frauen anwendbar, sondern auch auf Knaben,

    junge Generationen und andere.

    Befreiung beginnt im Kopf und ist mit

    eigenen Lebensvorstellungen und Zielvorstellungen

    verbunden. Wenn ich eine offensichtlich

    neanderthalerhafte, nahkampforientierte,

    krankheitsrisikoträchtige Spielweise favorisiere,

    um die althergebrachte Spielkultur zu kopieren,

    wo bleibt da die für die Befreiung wichtige

    Orginalität?

    Wo steckt der Geist dahinter?

    Wo liegt der gesamtgesellschaftliche Qualitätsgewinn

    und das innovatative Moment ?

     

    Die Gefahr besteht, das in der Vermassung

    der geschlechtsspezifischen Verhaltensweisen,

    die Attraktivität des Einzelnen nicht mehr

    herausragt und wir nur eine graue Masse von

    ruhmesgeilen, charakterlich und körperlich häßlichen, übermotivierten

    Erfolgsmonstern werden ohne Poesie und Kultur,

    Bindungstreue.

    Aber was soll's die vielen NC-Psychologen/Innen und

    NC-Ärzte/Innen wollen bestimmt wieder viel therapieren und Künstliche Befruchtungen einleiten.

    Die Opfer: arme Gewinnerinnen wie Heike Drecksler

    oder Kati Witt, und ehemalige DDR-Mutantinnen.

    Medaillengewinnerinnen ohne weibliches Flair,

    und sexuellen Charme und die Fähigkeit der Liebe gegenüber einen Unperfekten haben sich letzlich

    auch nur wegevolutioniert. Das nutzen auch Nacktfotos

    nichts mehr.

    Deutschland Mutantenland.

    Der deutsche Sport achtet zu wenig auf die ganzheitliche, menschliche Integration der Sportler.

    Es hat sich zwar vieles gebessert, aber

    die Gefahr der Wettkampfsucht und Gewinnsucht auf

    Kosten privater Beziehungen wird immer noch nicht

    genug gewürdigt.

    Ein gelungenes Leben besteht aus mehr, als nur

    Medaillen. Je fairer und gesünder die Umgangsformen, desto lebenswerter das Leben aller Wettkampfteilnehmer.

  • W
    wickabert

    Fußball ist ein Spiel, welches nur mit Gewalt, Fouls, Lügen gegenüber dem Schiedsrichter, Schwalben, Beleidigungen usw. funktioniert. Deshalb ist es nichts für Mädchen. Hinzu kommen Verletzungen, durch die Kopfbälle Schädigungen am Gehirn und im Vereinsleben kommt die Gefahr dazu, sich das Saufen anzugewöhnen.