: Gewalt gegen Schwule — Gegenwehr mit der Polizei?
■ Podiumsdiskussion im Rathaus Friedenau/ Kooperation mit der Polizei — ja oder nein?/ Viele haben Angst vor »Rosa Listen« bei der Polizei
Friedenau. Der Faustschlag trifft Rüdiger (22) mitten ins Gesicht. Seine Brille geht zu Bruch, an der Nase läuft Blut aus einer Schnittwunde. Unter einer Brücke in Esslingen bei Stuttgart greifen gleich drei Täter ihn und seinen Freund brutal an. Im Krankenhaus sieht Rüdiger seinen Widersacher zufällig wieder. Denn der hat sich beim Schlag auf die Brille ebenfalls an seiner Hand verletzt. Rüdiger geht zur Polizei und erstattet Strafanzeige.
Das ist die Ausnahme. Denn häufig trauen sich schwule Gewaltopfer aus Scham und Angst nicht zur Polizei; so bleiben die Täter meistens unbestraft. Um Gewalt gegen Schwule ging es Mittwoch abend auf einer Diskussionsveranstaltung, zu der Talkmaster Matthias Frings etwa 180 ZuhörerInnen im Rathaus Friedenau begrüßte. Neben Dieter Telge (AL), offen schwules Mitglied des Abgeordnetenhauses, saßen auf dem Podium der Berliner Kriminalhauptkommissar Heinz Uth, nach eigenem Bekunden »nicht schwul« und seit dem 18.10. auf Geheiß des Polizeipräsidenten Deutschlands erster Vertrauensbeamter für »homosexuelle Belange«; ferner Hans Janssen, ein offen schwuler Polizist aus Amsterdam; Hans Stevens, seit acht Jahren Mitarbeiter in einem schwulen Amsterdamer Antigewaltprojekt, und Günter Dvorak, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Grünen in Nordrhein-Westfalen.
»Wie hältst du's mit der Polizei?«, war die heiß diskutierte Gretchenfrage. Telge geißelte Kriminalhauptkommissar Uth vor allem wegen der martialischen Razzien der Polizei in Parkanlagen. Die letzte gab es diesen August im Tiergarten, als die Polizei zu mitternächtlicher Stunde mit viel Flutlicht in die Büsche einfiel — angeblich auf der Suche nach Fahrraddieben. Aufgrund solcher traumatischer Erstkontakte mit der Polizei würden viele Schwule bei einer erlittenen Gewalttat vor einer Anzeige zurückschrecken. Die Schwulenphobie sei allerdings ein »hausgemachtes Problem« der Polizei, das sie von sich aus lösen müsse.
»Der Polizei muß auf die Füße getreten werden«, hielt Frings dagegen, und auch Günter Dvorak plädierte für einen »Deal« mit der Staatsgewalt: Eine gewisse polizeiliche Parkpräsenz sei nicht zuletzt auch im Interesse der Schwulen. Wichtig sei, daß auch Polizisten offen schwul auftreten könnten, erklärte Hans Janssen. Das Schwulsein dürfe für die Polizei kein Problem darstellen. In den Niederlanden fördert die Polizeiführung deshalb bereits seit Jahren mit Tagungen und Fortbildungskursen die Toleranz der Polizisten untereinander, in Stellenanzeigen wird sogar ausdrücklich um schwule und lesbische Beamte geworben.
»Null«, beantwortete Heinz Uth die Frage nach der Anzahl der ihm bekannten, offen schwulen Polizisten. Und mit »hopp, hopp, hopp« und ähnlichen Aussprüchen würden Kollegen selbst ihn wegen seiner neuen Tätigkeit hänseln. Uth versicherte, daß es seines Wissens in Berlin keine sogenannten »Rosa Listen« mit persönlichen Daten von Schwulen gebe. Ein Problem sei die Unentschiedenheit der Schwulen untereinander, was die Zusammenarbeit mit der Polizei betreffe.
»Ich will einem Beamten nicht erst erklären müssen, was eine Klappe ist, bevor er mir hilft«, wünschte sich ein Zuhörer. Doch gerade hier erkannte eine Lesbe das Problem: In der »Normnalbevölkerung« sei die schwule »Klappen- und Parkkultur« noch weitgehend unbekannt. Was in dem Leben vieler Schwuler als historisch gewachsener Freiraum für Sex eine wichtige Rolle spielt, stößt selbst bei aufgeschlossenen Menschen immer noch auf Unverständnis. Marc Fest
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