: Gewalt gegen Kinder
betr.: „Kanzlers Offensive“ (Umgang mit Sexualstraftätern), taz vom 10. 7. 01
Wenn die eigene Tochter umgebracht wurde, so ist es verständlich, dass man aus purer Wut im Affekt die Maximalstrafe fordert (lebenslanges Wegsperren). Schröders Tochter hingegen lebt. Und aus lauter Angst, dass ihr etwas Ähnliches passieren könnte, nun ebenso massiv zu reagieren, spricht nicht für die für einen Bundeskanzler notwendigen Qualitäten von Gefühlskontrolle, ausreichendem Wissen und sozialer Verantwortung auch gegenüber den Tätern.
Tatsache ist, dass jene Verbrechen (zumindest fast immer) psychosozial bedingt sind und von daher das allen Menschen zustehende Grundrecht auf Hilfe auch solchen Tätern nicht verwehrt werden darf. „Not“wendig sind hingegen effektivere Therapien, welche eine Rückfallgefahr stärker minimieren.
REINER MOYSICH, Karlsruhe
[. . .] Gewalt gegen Kinder ist in den vergangenen Jahrzehnten an einer Tätergruppe festgemacht worden, die es erlaubt, die Fokussierung auf Schuld von „Normalos“ zu vermeiden. Die extensive Berichterstattung über von Sexualstraftätern grausam ermordete Kinder ermöglicht es, die „ganz normalen“ Kinderquälereien in die Rubriken „Verschiedenes“ zu verdrängen. Ein Kind, welches die Mutter verhungern ließ oder das von dieser zu Tode geschüttelt wurde, leidet genauso schwer wie das Opfer einer Sexualstraftat. Die jährlich über eine Millionen von Vätern und Müttern nicht sexuell misshandelten Kinder in Deutschland leiden ihr Leiden in Stille – zumindest was die Aufmerksamkeit der Medien betrifft. Auch der Kanzler würdigt sie nicht eines Satzes.
JOACHIM MÜLLER, Marburg
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