: Gewalt gegen Frauen: ein Todesopfer
■ Drei Frauen in Zehlendorf überfallen/ Eines der drei Opfer starb im Krankenhaus/ Studenten der Kirchlichen Hochschule werfen der Polizei Nachlässigkeit vor/ Bisher kein Hinweis auf den Täter
Zehlendorf. Drei Frauen wurden am Dienstag zwischen 21 und 22 Uhr nacheinander auf dem Gelände der Kirchlichen Hochschule in Zehlendorf überfallen. Den beiden ersten Frauen gelang es, dem Täter trotz erheblicher Gesichtsverletzungen zu entkommen, der dritten nicht. Die junge Frau, die koreanische Studentin Kyung-Lim Lee, schleppte sich nach dem Überfall schwer verletzt auf das Hochschulgelände und wurde erst am frühen nächsten Morgen von Passanten entdeckt. Sie starb kurz nach ihrer Einlieferung in das Klinikum Steglitz an »Unterkühlung«.
Wie der Leiter der Mordkommission, Manfred Vogt, der taz mitteilte, verletzte der Täter die Studentin mit »heftiger und stumpfer Gewalt am Kopf«. Alles spreche dafür, »daß sie auch vergewaltigt worden sei«. Die Polizei geht »mit Sicherheit« davon aus, daß es ein und derselbe Täter war, der die drei Frauen überfallen hat. Weil der Tatort, das Waldstück neben der Schule, zudem stockdunkel war und die beiden verletzten Frauen von hinten angegriffen wurden, existiert keine Täterbeschreibung. Nach einem Aufruf an die Bevölkerung um Mithilfe bei der Tataufklärung seien 15 Hinweise bei der Polizei eingelaufen. Keiner allerdings »gebe Grund zum Frohlocken«, sagte Vogt. Vielmehr würden sich jetzt die Frauen melden, die in der vergangenen Zeit von verschiedenen Männern sexuell belästigt wurden, es aber unterlassen hätten, eine Anzeige zu erstatten. Auch die Spurensicherung am Tatort Teltower Damm habe bisher nichts Konkretes ergeben.
Schwere Vorwürfe gegen die Polizei haben inzwischen StudentInnen der Hochschule erhoben. Auch die Hochschulleitung hat sich, Vogt zufolge, bereits an das Polizeipräsidium gewandt. Der Polizei wird unterlassene Hilfeleistung vorgeworfen. Studenten hätten nämlich den Notruf verständigt, sofort nachdem die beiden ersten verletzten Frauen im kirchlichen Wohnheim angekommen waren.
Die Polizei habe es versäumt, so steht es in einer Erklärung des Asta, »den Tatort zu sichern«, und damit »das dritte Gewaltverbrechen nicht verhindert«. Wie Vogt mitteilte, wäre dies ein schwerer »Unterlassungsfehler«. Polizeipräsident Georg Schertz hat nach Bekanntwerden der Vorwürfe, daß keine sofortige Tatortarbeit von seiten der Polizei vorgenommen wurde, einen Kriminaldirektor aus dem Dezernat Verbrechensbekämpfung der Landespolizeidirektion mit den Ermittlungen beauftragt. Wie aus einer Mitteilung der Polizeipressestelle hervorgeht, soll festgestellt werden, ob dienstrechtlich oder strafrechtlich relevante Versäumnisse vorliegen.
Derzeit würden die Bänder, auf denen die Notrufe gespeichert sind, von der Polizei ausgewertet. Nach Informationen von Vogt haben zwei Studenten die beiden verletzten Frauen gegen 22 Uhr zwar ins Klinikum Steglitz gefahren, die Polizei sei aber erst von dort aus benachrichtigt worden. Zu dieser Zeit sei die dritte Frau, die Koreanerin, den Ermittlungen zufolge bereits überfallen worden.
Große Unruhe herrscht jetzt bei den Zehlendorfer StudentInnen. Ein ständiger Begleitschutz für Frauen, die am Abend zur oder von der S-Bahn zurück wollen, ist bereits organisiert. Auf der gestrigen Vollversammlung haben die StudentInnen gefordert, auf dem Gelände sofort eine Notrufsäule zu installieren und für eine gute Beleuchtung zu sorgen. Zudem sollen Selbstverteidigungskurse für Frauen an der Hochschule eingerichtet werden.
Am Freitag, den 25. Oktober ab 10 Uhr findet ein Aktionstag »Gewalt gegen Frauen« statt. aku
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