Getötet wegen Zivilcourage: Im Tod spendet Tugce Leben
Tugce A. fiel nach einer Prügelattacke ins Koma. Zwei Wochen später ist ihr Leben zuende. Doch ihr Tod bedeutet für andere Hoffnung auf ein Weiterleben.
OFFENBACH dpa | Tugce A. ist tot. Die lebenserhaltenden Geräte sind abgeschaltet. Und doch wird die Studentin weiterleben: in den Herzen der Menschen, die ihre Zivicourage bewundern. Und in den Menschen, denen sie ihre Organe spendet.
Mindestens drei Kranke können auf Rettung hoffen. Am späten Freitagabend kamen Transplantationsteams aus dem In- und Ausland in die Offenbacher Klinik, um die Organe zu entnehmen. So hatte es Tugce selbst gewünscht: Sie besaß einen Spenderausweis, ihre Eltern respektierten den Willen der Tochter. „Eine solche Entscheidung nötigt mir die höchste Anerkennung ab“, sagte ein Mediziner aus Offenbach.
Bevor die Geräte abgeschaltet wurden, in dem Krankenhaus, in das die Studentin nach der Prügelattacke mit schwersten Schädel-Hirn-Verletzungen gebracht worden war, verabschiedeten sich am Freitagabend rund 1500 Menschen mit einer Mahnwache vor der Klinik von Tugce. Sie wäre am 28. November 23 Jahre alt geworden. Im Schein zahlreicher Kerzen spielte ein Pianist die Lieblingsstücke der Studentin. Bruder und Mutter blickten aus einem Klinikfenster auf die Menge und das Lichtermeer aus Kerzen hinunter. Im Fenster hing ein weißes T-Shirt mit einem Foto von Tugce. Gut eine Stunde verharrten die Trauernden auf dem Rasen im Gedenken an die junge Frau.
Sie bezahlte mit ihrem Leben, wohl weil sie wohl anderen helfen wollte. Zwei Mädchen soll Tugce zur Seite gesprungen sein, als diese in einem Fast-Food-Restaurant in Offenbach belästigt wurden. Ein 18-Jähriger schlug Tugce, die auf dem Parkplatz des Restaurants stürzte und schwerste Verletzungen erlitt. Seitdem lag sie im Koma.
Sarah und Nicole, beide 22 und Studentinnen wie Tugce, wollten Tugce A. am Freitagabend für ihr Engagement danken: „Sie ist dazwischengegangen. Sie hat ein Zeichen gesetzt.“ Unter den Trauernden gab es auch nachdenkliche Stimmen. Arash (27) stellte Fragen: „Warum hat sie sich eingesetzt? Und wo sind die Personen, für die sie sich eingesetzt hat, heute?“
„Ruhe in Frieden, kleiner Engel“
Denn die beiden Mädchen melden sich bislang nicht - alle Appelle verhallten ungehört. Über die Gründe für das Schweigen rätseln viele. Ob die Mädchen Angst haben? Der mutmaßliche Schläger, ein 18-Jähriger, sitzt in Untersuchungshaft.
Vor dem Krankenhaus erinnert ein Meer an Blumen, Kerzen und Plakaten an Tugce A. Auf Facebook bekundeten auch am Wochenende zahlreiche Menschen ihr Mitgefühl: „Ruhe in Frieden, kleiner Engel.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Netzgebühren für Unternehmen
Habeck will Stromkosten senken