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Getötet beim Warten auf Wasser

Iin Gaza schlägt während der Wasserverteilung im Flüchtlingslager Nuseirat eine israelische Rakete ein

Aus Jerusalem Serena Bilanceri

Am Sonntag sind nach Angaben des palästinensischen Gesundheitsministeriums in Gaza mindestens sechs Kinder ums Leben gekommen, als sie an einer Verteilstelle im Flüchtlingslager Nuseirat mit leeren Eimern und Kanistern Schlange standen und auf ihre Ration Wasser warteten. Mindestens 17 weitere Menschen wurden verletzt.

Videos von Augenzeugen, die die US-Zeitung The Washington Post gesichtet hat, sollen verwundete, weinende Kinder zeigen sowie Menschen, die verstümmelte Körper aus den Trümmern zu befreien versuchen.

Das israelische Militär spricht von einem technischen Fehler. Eine Rakete, die einige Dutzend Meter weiter entfernt auf ein Mitglied der Terrorgruppe Islamischer Jihad fallen sollte, sei fehlgeschlagen. „Wir bedauern jeglichen Schaden an unbeteiligten Zivilist*innen“, teilte die Armee den Medien mit.

In Gaza fehlt es seit Monaten dramatisch an sauberem Wasser. Bereits im Juni sagte der Unicef-Sprecher James Elder gegenüber der taz, in Gaza herrsche gerade „der gefährlichste Wassermangel“ seit Beginn des Kriegs. Die Menschenrechtsorganisation International Rescue Committee warnte vor drei Tagen, die Wasserkrise habe „einen Kipppunkt“ erreicht. Gefechte, Massenvertreibungen und Treibstoffmangel trügen dazu bei. Treibstoff ist nötig, um Entsalzungsanlagen und Wasserpumpen im Betrieb zu halten.

Insgesamt fehlt es in dem Küstenstreifen an Mitteln der Grundversorgung. Hunger droht überall. Die Not zwingt die Menschen, den gefährlichen Weg zu den vier Verteilstellen der von den USA und Israel unterstützten Gaza Humanitarian Foundation auf sich zu nehmen. Mindestens 615 Hilfesuchende sind dabei laut den Vereinten Nationen getötet worden.

Die Gaza Humanitarian Foundation hat die Berichte stets bestritten und betont, niemand sei auf ihren Gelände oder in unmittelbarer Nähe erschossen worden, gleichzeitig wies sie darauf hin, dass sie für die Gebiete außerhalb ihrer Areale nicht zuständig sei.

Ein jüngster Bericht der israelischen Zeitung Haaretz verweist auf Quellen innerhalb der Armee, die sagen, dass Sol­da­t*in­nen den Befehl erhalten hätten, das Feuer auf die Menschenmengen zu eröffnen, um diese aufzulösen. Das israelische Militär wies die Vorwürfe zurück.

Ein Artikel der Nachrichtenagentur AP beschuldigt außerdem private US-Sicherheitsfirmen, die von der Gaza Humanitarian Foundation angeheuert wurden, ebenfalls auf Hilfesuchende scharf zu schießen, sowie Blendgranaten und Pfefferspray einzusetzen. Eine der Firmen antwortete laut AP, dass es sich dabei um ältere Einzelfälle handelte.

Die Berichte haben international für Wirbel gesorgt. Eine Gruppe von Aktivist*innen, die Freedom Flotilla Coalition, hat erneut eine Aktion gestartet. Mit dem Segelschiff „Handala“ will sie die Seeblockade entlang Gazas Küste durchbrechen und Hilfsgüter liefern. Am Sonntag sind mehrere Ak­ti­vis­t*in­nen von Italien aus in See gestochen.

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