Gesundschrumpfen als einziges Heilmittel: Bankenrettung vertuscht Bilanztricks
Erst zockten sie auf den Finanzmärkten und dann rettete sie der Staat. Jetzt schreiben die maroden Banken wieder schwarze Zahlen – auch mithilfe von Bilanztricks.
HAMBURG taz | Es hätte schlimmer kommen können für Paul Lerbinger an seinem ersten Arbeitstag an der Spitze der HSH Nordbank. Die Fast-pleite-Bank hat die Kehrtwende geschafft: Ein Jahr früher als geplant ist sie in die Gewinnzone zurückgekehrt. Der überschaubare Profit von 48 Millionen Euro nach Steuern spiegelt nach Meinung des neuen Vorstandsvorsitzenden eine erfolgreiche Neuausrichtung wider. Kritiker verweisen dagegen auf den schönen Schein der Bilanzzahlen - nicht allein in Hamburg.
Doch vor Journalisten in Hamburg spricht Lerbinger, der am 1. April den Chefposten des geschäftlich soliden, aber von einer großen Koalition aus Medien und Politik abgesägten Dirk Jens Nonnenmacher übernahm, von einer erfolgreichen "strategischen Neuausrichtung". Worin diese eigentlich besteht, bleibt wie bei anderen Landesbanken nebulös.
Die Strategien scheinen sich im Gesundschrumpfen zu erschöpfen. In Hamburg und Kiel wurden die maritimen Kredite der weltgrößten Schiffsbank zu einem Drittel abgebaut oder in eine Bad Bank überführt. Wie in München und Stuttgart wurden das Zocken auf den globalen Finanzmärkten eingestellt, heikle Immobilien abgestoßen und dubiose Darlehen über 5 Milliarden Euro lange vor dem Fälligkeitstermin eingetrieben. Die Bilanzsumme wurde so um 13 Prozent verkleinert, in Bayern um 7 Prozent. Auch die WestLB und die Landesbank in Stuttgart schrumpfen.
Die maroden Vier und die Derivate
Die maroden vier hatten sich einst auf scheinbar hochprofitable Derivate gestürzt. Als die Spekulationsblase 2007 platzte, riss dies Milliardenlöcher. Der Staat rettete. BayernLB und Nordbank schreiben nun wieder schwarze Zahlen - vor allem, weil sie Rückstellungen für Risiken wie in Hamburg und Kiel von über 2,5 Milliarden auf einige wenige Millionen bilanztechnisch runterfuhren. Und sie hatten Glück im Unglück: Die Wirtschaft sprang 2010 wieder an und die Kurse an den Börsen kletterten nach oben. Das kann morgen wieder ganz anders sein.
Die geschrumpfte Nordbank will sich fortan ganz auf ihre zwei verbliebenen Standbeine konzentrieren: das regionale Geschäft und das Segment "Sektorspezialbank" mit Schiffen, Flugzeugen und erneuerbaren Energien. Eine wirkliche Neuausrichtung ist das nicht. Auch vor der großen Krise hatte man auf diese Bereiche gesetzt.
Über allem droht Brüssel
Im operativen Kerngeschäft der Landesbanken klaffen riesige Löcher. Die Sparkassen wollen weder im Norden noch im Süden Geschäfte an "ihre" öffentlichen Landesbanken abgeben. Und über allem droht Brüssel. Die WestLB soll bis zum 15. April einen "detaillierten" Plan über ihre künftige Struktur abgeben, die BayernLB soll der EU-Kommission ein neues Geschäftsmodell vorstellen und in Norddeutschland erwartet man das Urteil aus Brüssel bis zum Sommer.
Nun soll alles solider sein, anders ist es kaum. Wie wackelig das Landesbankengebilde ist, zeigt beispielhaft ein Blick in die HSH-Bilanz. Den Gewinn weist sie nach den internationalen IFRS-Regeln aus. Danach können etwa steigende Wertpapierkurse als Gewinn verbucht werden. Dagegen bildet eine Bilanz nach dem maßgeblichen deutschen Handelsgesetzbuch keine fiktiven Buchgewinne, aber reale Verlustrisiken ab. Danach weist Lerbingers Nordbank für 2010 keinen Gewinn mehr aus, sondern einen Verlust von 219 Millionen Euro.
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