Gesundheitsversorgung: Im Zweifel für den Patienten
Für Kranke oder die Krankenhausbehandlung ist vor allem wichtig, wo Spezialisten sitzen, und nicht der Name der Klinik.
Politischer Streit hin oder her: Patientenwohl gehe vor, beteuern Ärzte und Führungskräfte gleichermaßen. Wenn ein Patient etwa ins Universitätsklinikum Benjamin Franklin (UKBF) kommt, aber aus medizinischen Gründen verlegt werden muss, dann kommt er auf eigenen Wunsch oder, wenn es notwendig erscheint, auch ins konkurrierende Augusta-Viktoria-Klinikum in Schöneberg.
Für den akut Kranken ist es ohnehin zweitrangig, welcher Name am Eingang der Klinik steht; erst bei der Weiterbehandlung könnte sich ein gut durchorganisierter Konzern auszahlen: Spezialisten sind womöglich schneller vor Ort, ein Fall wird von mehreren Fachleuten betrachtet. Rajan Somasundaram, Rettungsstellenleiter am UBKF, führt das Beispiel Fahrradunfall an: Kommt ein Gestürzter in die Klinik, werden erst einmal seine Wunden versorgt. Vielleicht waren aber nicht Unachtsamkeit oder ein ignoranter Autofahrer, sondern vielmehr war ein Herzinfarkt Ursache für den Unfall - dann ist es gut, wenn ein Kardiologe in der Nähe der Rettungsstelle ist, der zeitnah das Unfallopfer begutachtet.
Unmittelbarer als vom Reformstreit betroffen sind Patienten von den Neufassungen des Landeskrankenhausgesetzes (darin werden die Fördermittel und deren Vergabe festgelegt) und dem Landeskrankenhausplan (er legt die Zahl der Betten fest). Letzterer regelt die Patientenversorgung - wo darf was behandelt werden, welche Kliniken arbeiten mit den gesetzlichen Krankenkassen zusammen. Beide Papiere will die Senatsverwaltung für Gesundheit nun so schnell wie möglich vorlegen.
Laut Plan sollen Betten vor allem in Geriatrie und Psychologie dazukommen, die genaue Zahl ist strittig. In den Jahren nach der Wende sind erst einmal Betten abgebaut worden, seit 2001 etwa 15 Prozent der Betten auf gut 19.400 (Stand 2008). Das hat mit der Überversorgung durch die Teilung der Stadt zu tun sowie mit der kürzeren Verweildauer im Krankenhaus. Seit die Kassen Fallpauschalen an die Kliniken zahlen und nicht mehr Tagessätze, kommen Patienten früher nach Hause; durchaus in deren Sinn: Keiner bleibt gern lang im Krankenhaus.
Den Bettenzuwachs in Geriatrie und Psychiatrie stellt keiner in Abrede, werden doch beide Bereiche in Medizin und Gesellschaft wichtiger: Die Zahl der älteren Menschen und die Zahl der psychischen Erkrankungen steigen stetig an. Allerdings plädiert die Grünen-Fraktion unter Verweis auf die mangelnde Auslastung mancher Häuser für einen weiteren Bettenabbau an anderer Stelle. Die mitregierende Fraktion der Linken erklärt hingegen, Berlin habe schon jetzt die geringste Bettendichte im Bundesländervergleich; die Häuser arbeiteten an den Grenzen ihrer Auslastung. Eigentlich soll der Landeskrankenhausplan nach einer Einigung über die Zukunft der Kliniken erfolgen - die aber ist ja bisher in weiter Ferne.
Für die Charité, mit mehr als 7.000 Studierenden die größte Uniklinik bundesweit, steht derweil der Ruf auf dem Spiel: Wegen der unsicheren Lage finden sich für einzelne Lehrstühle nur schwer Nachfolger. Über kurz oder lang kommt auch das bei den Patienten an.
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