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Gesundheitstag ohne Hackethal

■ Im Mittelpunkt steht die Sterbehilfediskussion / Hackethal als Referent zu „Euthanasie“ ausgeladen / Weiterer Schwerpunkt ist AIDS / Einig in der Kritik am bayerischen Maßnahmenkatalog

Aus Kassel Oliver Tolmein

Der Gesundheitstag 1987 begann am Mittwochabend mit einer Überraschung: Die Vorbereitungsgruppe erklärte, daß die zentrale Veranstaltung zum Thema Sterbehilfe am Donnerstag abend nicht mit Julius Hackethal als Referenten stattfinden würde. Die Ausweichreferenten konnten bis Redaktionsschluß noch nicht benannt werden. Damit gab die Vorbereitungsgruppe dem Druck von Initiativen aus Hamburg und West–Berlin sowie der Krüppelgruppen statt, die seit Bekanntwerden des Hackethal–Auftritts gefordert hatten, diesen wieder auszuladen, weil er „Grundgedanken der Euthanasie“ verbreite, ohne zu einer Auseinandersetzung über die Rolle der Medizin im Nationalsozialismus bereit zu sein, wie es in zwei auf dem Gesundheitstag verteilten Flugblättern heißt. Auch der Bundesvorstand der Grünen hatte die Ausladung Hackethals gefordert. Die Auseinandersetzungen um Hackethals Einladung dauerten trotzdem gestern weiterhin an. Zahlreiche Referentinnen, die in den letzten Tagen ihre Veranstaltungen bereits abgesagt und zum Teil gefordert hatten, den Gesundheitstag zu boykottieren, waren auch nach Ausladung von Hackethal nicht bereit, ihre Veranstaltungen durchzuführen. Die Themen „Euthanasie und Sterbehilfe“ und „Behindertenpolitik“ fielen deswegen fast vollständig aus. Stattdessen wurde, auch unter den „Boykotteuren“, über eine Aufrechterhaltung des Boykotts diskutiert. Während er vor allem von Besucherinnen kritisiert wurde, weil sie auch Interesse an einer Auseinandersetzung mit Hackethals Positionen bekundeten, betonten etliche der Referentinnen, daß ein Signal für künftige Auseinandersetzungen gegeben werden müsse. Man könne nicht eine so fragwürdige Position wie die von Hackethal über die Köpfe der Basis hinweg als Zugnummer für die Medien einsetzen. Die Aufrechterhaltung des Boykotts wurde damit begründet, daß Hackethals zweite Veranstaltung in der Stadthalle nicht abgesagt wor den sei: „Da kann uns niemand garantieren, daß er nicht dort sein Plädoyer für den sogenannten Gnadentod verbreiten wird.“ Außerdem zeige die Tatsache, daß Hackethal überhaupt als Hauptredner eingeladen worden sei, daß es in dieser zentralen Frage keine politischen Gemeinsamkeiten mit den Veranstaltern gebe. Der zweite Schwerpunkt des gestrigen Tages, AIDS, blieb von den Auseinandersetzungen allerdings weitgehend unbelastet. Gleichzeitig zeigten sich an dem Punkt allerdings die organisatorischen Schwierigkeiten. Bei der zentrale Podiumsdiskussion über „AIDS als Vehikel zur neuen Moral“ hatten Volkmar Sigusch, Martin Danneker und Gunter Schmidt kurzfristig abgesagt, so daß dann Rolf Rosenbrock vom Wissenschaftszentrum Berlin, Astrid Thomas von der Selbsthilfegruppe „Huren wehren sich gemeinsam“ und Christa Brunswicker von der AIDS–Hilfe auf dem Podium saßen. Im Verlauf der zweistündigen Diskussion blieben Kontroversen aus. In der Kritik an den bayerischen Repressionsmaßnahmen war man sich einig, die Auswirkungen von AIDS auf die eigene linke Sexualmoral blieben undiskutiert.

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