Gesundheitspolitik: Pflege mit Mangelerscheinungen
Prüfbericht des Medizinischen Dienstes: Ein Viertel aller Pflegebedürftigen in Berlin wird nicht ausreichend versorgt. Wohlfahrtsverbände weisen Kritik zurück.
Um die Pflege ist es in Berlin nicht gut bestellt. Bild: AP
Senioren, bleibt wachsam: Die Situation in Berlins Pflegeeinrichtungen spiegelt laut dem Medizinischen Dienst der Krankenkassen Berlin-Brandenburg (MDK) den Bundestrend wieder. "Es gibt immer noch zu viele Fälle, in denen wir Mängel feststellen", so Sprecher Hendrik Haselmann.
In seinem bundesweiten Qualitätsbericht konstatierte der MDK gestern erhebliche Missstände in der Pflege. Bei 34 Prozent der Heimbewohner und 29 Prozent der zu Hause Betreuten werde zu wenig auf Ernährung und Flüssigkeitszufuhr geachtet. In Berlin stellen die Prüfer bei jedem vierten Pflegebedürftigen Mängel fest. Die Prüfer des Medizinischen Dienstes überwachen über 800 Anbieter in Berlin, im Schnitt wird jeder alle fünf Jahre kontrolliert.
Die Wohlfahrtsverbände wiesen die Vorwürfe zurück. Rainer Lachenmayer, Referent beim Paritätischen Wohlfahrtsverband (DPWV) in Berlin kritisiert die Methodik des Berichtes: "Es wurde nicht untersucht, ob ein Heimbewohner schon krank aus der häuslichen Betreuung oder dem Krankenhaus in eine Einrichtung gekommen ist. Das verzerrt das Ergebnis". Der DPWV betreibt in Berlin 38 Einrichtungen mit knapp 5.000 Plätzen. "Die pauschale Schlechtrederei der Pflegebetriebe ignoriert die gute Arbeit, die wir leisten", so Lachenmayer. Laut DPWV konnte der MDK keine Mängel an seinen Einrichtungen feststellen.
Große Hoffnungen setzt der MDK nun in die Transparenzoffensive des Senats. Der "Runde Tisch Pflege" hatte sich im Juli darauf geeinigt, dass Heime und Pflegedienste freiwillig Berichte über ihr Innenleben veröffentlichen. In einer Online-Datenbank können sich Angehörige ab Oktober informieren. Die Prüfberichte des MDK bleiben aber geheim, im Internet sind nur indirekte Qualitätskriterien wie Mitarbeiterzahl, Maßnahmen gegen Inkontinenz und Ausstattung der Räume abrufbar.
Der DPWV führt schon jetzt regelmäßige Qualitätskontrollen durch, die Erhebungen dienen aber nur dem internen Gebrauch. Zukünftige Heimbewohner und deren Angehörige müssen sich laut Rainer Lachenmayer mit dem Tag der offenen Tür begnügen. Dass Geld fehlt, bestreitet auch der DPWV nicht. Lachenmayer fordert deshalb, dass die Personalausstattung angehoben und die ärztliche Versorgung besser werden müsse.
Für inakzeptabel hält auch die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Stefanie Winde, die Ergebnisse des MDK. Sie forderte, das Altern nicht als etwas Bedauernswertes zu verstehen und plädierte für gesellschaftliches Umdenken.
Eine Alternative zum Heim sind betreute Pflege-WGs. Rund 200 gibt es derzeit in Berlin. Vernachlässigte Senioren sind hier die Ausnahme, da sich zwei Fachkräfte ständig um die Bewohner kümmern, so Annette Schwarzenau vom Verein "Selbstbestimmtes Wohnen im Alter". Sie fordert, dass der Senat die öffentlichen Mittel an Qualitätskriterien bindet. "Wenn niemand hinguckt, ist die Verführung groß, es nicht so genau zu nehmen."
Leser*innenkommentare
C.J.
Gast
Die beschriebenen Zustände in der Pflege (mobil/nicht mobil) kann ich aus persönlicher Tätigkeit mit staatlichem Examen in dieser Branche bestätigen. Meines Erachtens liegt dies an den Arbeitsbedingungen "Akkordarbeiten in der Pflege ohne Menschlichkeit" und der Profitmaximierung in betriebswirtschaftlicher Hinsicht. Aber auch an der Beschäftigung von nicht- oder minder-qualifiziertem Personal in diesem Marktsegment allgemein. Nicht unbedingt an der Bezahlung. Die ist dann nur entscheidend, wenn eine exam. Pflegerin für zwei arbeiten muss oder dieser nach neuen Modellen mehr Verantwortung übertragen werden soll (zur Entlastung der Ärzte) bei demselben Gehalt..!
Natürlich halte ich auch die Erziehungskultur unserer Zeit für ein fundamentales Problem. Wo sind Mitmenschlichkeit, Respekt vor dem Altern und soziales Engagement geblieben. Wer hat Wissen über die Lebenszyklen des Menschen und deren Konsequenzen für das Leben und die Umwelt? Da sollte bereits an der Schule vermittelt und vorbereitet werden. Ich beobachte den Status Quo und die Entwicklung und habe als 50-jährige Frau bereits Angst vor den Personen, denen ich eventuell als Pflegefall im Alter ausgeliefert sein werde.
C.J.
Gast
Die beschriebenen Zustände in der Pflege (mobil/nicht mobil) kann ich aus persönlicher Tätigkeit mit staatlichem Examen in dieser Branche bestätigen. Meines Erachtens liegt dies an den Arbeitsbedingungen "Akkordarbeiten in der Pflege ohne Menschlichkeit" und der Profitmaximierung in betriebswirtschaftlicher Hinsicht. Aber auch an der Beschäftigung von nicht- oder minder-qualifiziertem Personal in diesem Marktsegment allgemein. Nicht unbedingt an der Bezahlung. Die ist dann nur entscheidend, wenn eine exam. Pflegerin für zwei arbeiten muss oder dieser nach neuen Modellen mehr Verantwortung übertragen werden soll (zur Entlastung der Ärzte) bei demselben Gehalt..!
Natürlich halte ich auch die Erziehungskultur unserer Zeit für ein fundamentales Problem. Wo sind Mitmenschlichkeit, Respekt vor dem Altern und soziales Engagement geblieben. Wer hat Wissen über die Lebenszyklen des Menschen und deren Konsequenzen für das Leben und die Umwelt? Da sollte bereits an der Schule vermittelt und vorbereitet werden. Ich beobachte den Status Quo und die Entwicklung und habe als 50-jährige Frau bereits Angst vor den Personen, denen ich eventuell als Pflegefall im Alter ausgeliefert sein werde.
C.J.
Gast
Die beschriebenen Zustände in der Pflege (mobil/nicht mobil) kann ich aus persönlicher Tätigkeit mit staatlichem Examen in dieser Branche bestätigen. Meines Erachtens liegt dies an den Arbeitsbedingungen "Akkordarbeiten in der Pflege ohne Menschlichkeit" und der Profitmaximierung in betriebswirtschaftlicher Hinsicht. Aber auch an der Beschäftigung von nicht- oder minder-qualifiziertem Personal in diesem Marktsegment allgemein. Nicht unbedingt an der Bezahlung. Die ist dann nur entscheidend, wenn eine exam. Pflegerin für zwei arbeiten muss oder dieser nach neuen Modellen mehr Verantwortung übertragen werden soll (zur Entlastung der Ärzte) bei demselben Gehalt..!
Natürlich halte ich auch die Erziehungskultur unserer Zeit für ein fundamentales Problem. Wo sind Mitmenschlichkeit, Respekt vor dem Altern und soziales Engagement geblieben. Wer hat Wissen über die Lebenszyklen des Menschen und deren Konsequenzen für das Leben und die Umwelt? Da sollte bereits an der Schule vermittelt und vorbereitet werden. Ich beobachte den Status Quo und die Entwicklung und habe als 50-jährige Frau bereits Angst vor den Personen, denen ich eventuell als Pflegefall im Alter ausgeliefert sein werde.
C.J.
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Die beschriebenen Zustände in der Pflege (mobil/nicht mobil) kann ich aus persönlicher Tätigkeit mit staatlichem Examen in dieser Branche bestätigen. Meines Erachtens liegt dies an den Arbeitsbedingungen "Akkordarbeiten in der Pflege ohne Menschlichkeit" und der Profitmaximierung in betriebswirtschaftlicher Hinsicht. Aber auch an der Beschäftigung von nicht- oder minder-qualifiziertem Personal in diesem Marktsegment allgemein. Nicht unbedingt an der Bezahlung. Die ist dann nur entscheidend, wenn eine exam. Pflegerin für zwei arbeiten muss oder dieser nach neuen Modellen mehr Verantwortung übertragen werden soll (zur Entlastung der Ärzte) bei demselben Gehalt..!
Natürlich halte ich auch die Erziehungskultur unserer Zeit für ein fundamentales Problem. Wo sind Mitmenschlichkeit, Respekt vor dem Altern und soziales Engagement geblieben. Wer hat Wissen über die Lebenszyklen des Menschen und deren Konsequenzen für das Leben und die Umwelt? Da sollte bereits an der Schule vermittelt und vorbereitet werden. Ich beobachte den Status Quo und die Entwicklung und habe als 50-jährige Frau bereits Angst vor den Personen, denen ich eventuell als Pflegefall im Alter ausgeliefert sein werde.