piwik no script img

Gesundheitspolitik für Frauen

■ Mehr weiblicher Blick und Frauen-Offensive / Vier Frauenbeauftragte für Kliniken

Etwas stimmt doch nicht, wenn zu 80 Prozent Frauen als Schwestern in den Krankenhäusern die PatientInnen heben, wischen, waschen, spritzen und gesundpflegen — und in den Pflegedienst-Leitungen dann die Männer sitzen. Wenn von über 50 chefärztlichen Stellen in Bremen mal gerade eine weiblich besetzt ist. Wenn schwangere Krankenhaus-Angestellte lieber erst ganz spät die freudige Nachricht im Dienst mitteilen — wohl wissend, daß die ohnehin überlasteten Kolleginnen ihr jetzt noch die Arbeit abnehmen müssen, die Schwangere nicht mehr tun dürfen, wie röntgen oder schwer heben.

Weiblicher Blick und weibliche Offensive gehören verstärkt in die Bremer Krankenhäuser: „Einmischung ist geboten“ und „Reibungspunkte mit den Krankenhaus-Direktionen liegen in der Natur der Sache“, fand Gesundheitssenatorin Dr. Vera Rüdiger, die gestern der Presse die vier Frauenbeauftragten vorstellte, die, das frisch beschlossene Frauen-Gleichstellungsgesetz vorwegnehmend, seit wenigen Monaten in den kommunalen Krankenhäusern Ost, Nord, Links der Weser (LdW) und St.- Jürgen-Straße per Teil-Freistellung ihren Dienst tun.

Rüdiger: „Frauen werden privat, kirchlich und staatlich bevormundet, sind in Familie und Beruf hoch belastet und oftmals besonderen Gewalterfahrungen ausgesetzt; das muß sich im Gesundheitsbereich spezifisch niederschlagen.“ Frauen-Gesundheitspolitik, das soll nun mehr werden als die schon bestehenden Angebote für drogenabhängige Frauen oder als Lottomittel-Förderung autonomer Frauenprojekte wie dem Mädchen-Notruf.

Eine reine Frauenstation im Suchtbereich sei sinnvoll und überfällig, hat die Arbeitsgrupe „Frau und Gesundheit“ mit Helga Loest in der Gesundheitsbehörde herausgefunden; die Planungen sind jetzt im Gang. Im Gesundheitsamt soll eine weitere humangenetische Beratung eingerichtet werden, die psychologische und ärztliche Hilfen anbieten will, mit einem mutmaßlich behinderten Kind zu leben, statt es abzutreiben.

„Wenn eine Ärztin ihre eigene Schwangerschaft erst im 7. Monat meldet, um die Kolleginnen wenig zu belasten, dann ist das alarmierend, und dann muß sich an den Personalschlüsseln was ändern“, forderte Frauen-Beauftragte und Gynäkologin Sigrid Prolingheuer von LdW. Und daß sich Frauen aus den wenigen Leitungsfunktionen nach dem Erziehungsurlaub „selbstverständlich“ zurückziehen, möchte Rita Kruck, Schwester und Frauen- Beauftragte in Ost, auch für Teilzeitkräfte stoppen. „Es wird immer einen Kampf geben um Leitungsstellen, da müssen wir ermutigen und über Rechte aufklären“, kündigte Kollegin Ruth Böke, Schwester in der St.-Jürgen-Straße, an. Die vier wollen auch die dicken Bretter der Hierarchie-Strukturen anbohren: „Wo arbeiten wie viele Frauen und Männer unter welchen Bedingungen? Wo sind Stellen frei? Das wollen wir analysieren und Frauen-Förderpläne erarbeiten“, kündigte Prolingheuer an.

S.P.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen