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Gesunde Tellermaler

■ Neues Konzept für die Königlich Preußische Porzellanmanufaktur (KPM)

Was geschieht mit einem ostdeutschen Betrieb, der Millionenverluste produziert? Er wird abgewickelt oder subventioniert. Peter Liedke, ein ehemaliger Direktor für Privatisierung der Treuhandanstalt in Gera, will als neuer Geschäftsführer der Königlich Preußischen Porzellanmanufaktur (KPM) andere Wege beschreiten. Der fürstliche Teller-Traditionsbetrieb soll so umstrukturiert werden, daß sich die 450 Angestellten, darunter 230 Keramiker und 100 Maler, ohne staatliche Zuschüsse in die Gewinnzone vorarbeiten. Die KPM wurde Anfang 1991 von einem Eigenbetrieb des Landes Berlin in eine GmbH überführt — alleiniger Inhaber ist weiterhin das Land Berlin. Von dieser Konstruktion verspricht sich der neue Vorsitzende des Aufsichtsrates, Rudolf Stilcken, eine entbürokratisierte Geschäftsführung, die »schnell und kreativ auf die Bedürfnisse des Marktes reagieren kann«.

Mit erfrischender Offenheit attestieren Liedke und Stilcken dem Berliner Senat, daß der den wirtschaftlichen Kollaps des Betriebes herbeigeführt habe. Der Senat hatte es zugelassen, daß jahrelang fröhlich am Markt vorbeigepinselt wurde: einem Auftragsbestand von 11 Millionen Mark steht derzeit ein Lagerbestand im Werte von 16 Millionen Mark gegenüber.

Im Bereich der kunsthandwerklich gefertigten Porzellane sollen nun »moderne, aber nicht modernistische« Dekors das Sortiment der Porzellanservice bereichern — eine Neuauflage der Serien »Burg Giebichenstein« und »Hallesche Form« der Bauhauskünstlerin Marguerite Friedlaender ist bereits geplant. Da sich in diesem Fertigungsbereich »alle Überlegungen zu Rationalisierungsstrategien durch verstärkte Mechanisierung und Automatisierung bei einer Manufaktur erledigen«, so Liedke, »wird insbesondere die Personalpolitik dem Manufakturgedanken wieder verstärkt Rechnung tragen müssen.«

Hinter dieser netten Formulierung verbirgt sich die Devise des neuen Geschäftsführers: gesunde Arbeiter werden geschult und mit Prämien zu Höchstleistungen motiviert, kranke Areiter hingegen auf die Straße gesetzt. 27 Langzeitkranke wurden gefeuert, denn »mit einem Krankenstand von 15 Prozent mußten acht Arbeiter die Arbeit von zehn erledigen, und die wurden dann natürlich auch schneller krank«. Nun ist die »Weckung und Stärkung der personalen Kräfte« abgeschlossen, so Aufsichtsratsvorsitzender Stilcken, und für dieses Jahr eine Umsatzsteigerung von 20 Prozent geplant. »Der Mensch ist das Ergebnis seiner Produktionsverhältnisse«, zitiert Finanzsenator Elmar Pieroth Karl Marx, will bei Pieroth heißen: Nur wenn die Zügel straff sind, ist der Mensch auch arbeitswillig. Deshalb wurde bei der KPM das »Meisterprinzip« gestärkt und mit »Freitags- und Montagskranken ein ernstes Wort gesprochen«. Nun sei die Arbeitsmoral wieder vorhanden, freut sich Rudolf Stilcken.

Die Meister der KPM werden 30 neue Lehrlinge pro Jahr ausbilden — doppelt so viele wie in den vergangenen Jahren. Die zukünftigen Dreher, Former und Gießer sollen nach und nach angelernte Kräfte ersetzen und den ohnehin hohen Qualitätsstandard der Porzellanhersteller optimieren. In der neuen KPM- Werkstatt werden bereits besonders schwierige Porzellanstücke und eilige Kundenaufträge gefertigt — die Firmenphilosophie setzt darauf, »die artikelbezogene Produktion durch eine kunden- und auftragsbezogene Produktion« zu ersetzen.

Ein Neubau an der Straße des 17. Juni wird wohl trotzdem mit verdeckten Subventionen finanziert werden müssen: die landeseigene KPM will dem Land Berlin 1.900 Quadratmeter des Betriebsgeländes an der Wegelystraße verkaufen. Zu welchem Preis ist bisher noch unbekannt. Es müsse schon ein ordentlicher Betrag sein, mahnte Stilcken, schließlich rechnet die KPM im »operativen Bereich« auch 1992 mit Verlusten. Das Traditionsunternehmen wird also nur dank des Grundstücksverkaufs schwarze Zahlen schreiben. Immerhin solle das erwirtschaftete Plus von 3 Millionen DM für 1992 zu einem Drittel der Berliner Stadtkultur zugute kommen, ein weiteres Drittel will die Geschäftsführung dem Berlinimage spendieren.

Als Indiz für die avisierte Gesundung der KPM wies Stilcken auf die Lachs-, Krabben- und Roastbeefbrote, die reichlich verziert der Presse dargereicht wurden. Die Wahrheit ist wohl, daß Schmalzstullen auf KPM-Porzellan dem mühsam aufgebauten Edelimage der Firma schaden. Werner

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