Gespräch mit dem Aktivisten Klaus Ehlbeck: "Weiter Druck machen"
Nach der Katastrophe in Japan darf und wird die Berliner Anti-Atom-Bewegung nicht locker lassen, sagt Aktivist Klaus Ehlbeck.
taz: Aus Japan kommen immer neue Schreckensnachrichten. Ist jetzt nicht eher die Zeit zu trauern als zu demonstrieren?
Klaus Ehlbeck: Bei den Leuten, die grade in Berlin protestieren, überwiegt große Bedrücktheit. Gleichzeitig gibt es aber auch ein Gefühl, jetzt erst Recht auf die Straße gehen zu müssen. Da wird aus Trauer vielfach Wut.
Aber instrumentalisiert man damit nicht die Opfer in Japan?
ist Mitglied von Anti Atom Berlin. Die parteiunabhängige Gruppe wurde erst 2009 gegründet. Ehlbeck ist seit 30 Jahren im Atom-Widerstand aktiv.
Also ich bin seit 30 Jahren im Anti-Atom-Widerstand, da instrumentalisiere ich gar nichts. Was gerade in Japan passiert ist schlimm, richtig schlimm. Aber wir können doch hier nicht nur Trauermärsche machen und die Regierung macht ihre Atompolitik weiter wie gehabt.
Die Kanzlerin hat sieben Alt-Meiler vom Netz genommen!
Vorübergehend, ja. Unsere Forderung und die vieler anderer geht aber weiter: Das gesamte Atomprogramm zu stoppen, die AKWs abschalten. Und zwar sofort und in Gänze. Wir haben kein richtiges Endlager, produzieren aber weiter massiv neuen Atommüll. Und dass die jetzt vom Netz genommenen Meiler extrem störanfällig sind, davor haben wir schon vor Jahren gewarnt. Ohne dass die Regierung was unternommen hätte.
Fürchten Sie, in Deutschland könnte ahnliches passieren?
Eine Kernschmelze könnte es auch hier jederzeit geben. Zwar ist die Erdbebengefahr nicht so groß, auszuschließen ist sie aber auch nicht. Am Rhein-Main-Graben ist aufgrund von Erdbebengefahr ein AKW nie in Betrieb gegangen. Und es gibt ja auch andere Szenarien: Kühlsysteme fallen aus, Notgeneratoren gehen kaputt. Dann stehen wir vor den gleichen Problemen. Das sollte doch Grund genug sein, sofort auszusteigen.
Wie kann Ihr Protest den Ausstieg beschleunigen?
Wir müssen weiter Druck machen, jetzt wo Politik und Wähler noch offene Ohren haben. Und man sieht ja, wie die Bundesregierung gerade gleich mehrere Rollen rückwarts macht in ihrer Atompolitik.
Sie glauben nicht, dass das Moratorium Druck von der Straße nimmt?
Nein. Die Leute durchschauen doch, dass es für Schwarz-Gelb hier nur darum geht, noch irgendwie durch die Landtagswahlen zu kommen. Noch bis vor einer Woche hat diese Regierung gesagt, alle AKWs seien sicher. Heute gehen sieben unsichere Meiler vom Netz. Was soll man von so einer Regierung halten?
Wie wichtig ist dabei Berlin als Proteststandort?
Hier ist der Regierungshauptsitz und hier wird der ganze Atom-Blödsinn verzapft. Deshalb sind wir hier gefordert. Und deshalb wird es in Berlin am 26. März wieder eine Großdemo geben.
Wie stark ist die Berliner Anti-Atom-Bewegung heute?
Seit der schwarz-gelben Laufzeitverlängerung immer stärker. Plötzlich stehen ganz neue Leute auf der Straße oder welche, die seit Jahren nicht mehr dabei waren. Und das aus allen Altersklassen. Allein unsere Gruppe hat sich zuletzt verdoppelt. Und wenn, wie am Samstag, innerhalb von ein paar Stunden und übers Internet mobilisiert mehrere hundert Leute vorm Kanzleramt stehen - das hätte es vor zwei, drei Jahren nicht gegeben.
Ist die Bewegung heute jünger und vielfältiger?
Sie ist vor allem friedlicher und bunter. Vor 30 Jahren sind wir noch mit Helm und Gasmaske zur Brokdorf-Demo gegangen.
Würden Sie sich wieder mehr Radikalität wünschen?
Wir brauchen keinen Straßenkampf, keine Verletzten. Sonst ist mir jeder Widerstand recht. Wenn die Regierung das braucht, darf es auch zivilen Ungehorsam und Besetzungen geben.
Wie wird der Protest in Berlin weitergehen?
Das wird gerade rege diskutiert. Am nächsten Montag ist wieder eine Mahnwache geplant, dann die Großdemo und sicher noch mehr. Die Politik muss sich auf Widerstand auf allen Ebenen einstellen, das wird nicht so schnell abklingen. Und noch sieht es ja nicht danach aus, dass Merkel gegen die Atomlobby wirklich alle AKWs abstellt. Da sind wir weiter gefordert.
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