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Gesetzentwurf zu Hartz-IV-RegelungenWeniger Geld für Alleinerziehende

Sozialgeld soll unter getrennten Elternteilen gesplittet werden, pro Tag bis zu 10,20 Euro weniger. Experten halten das für nicht alltagstauglich.

Der neue Hartz IV-Gesetzentwurf benachteiligt vor allem Alleinerziehende Foto: imago/Westend61

Berlin taz | Antje Asmus vom Verband der alleinerziehenden Mütter und Väter setzt ihre ganze Hoffnung auf die Öffentlichkeit. Proteste, Einwürfe, Veto. Gegen einen Gesetzentwurf von Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD), der Hartz-IV-Regelungen ändern und am heutigen Montag im zuständigen Bundestagsausschuss zur Expertenanhörung auf der Tagesordnung steht.

In dem Änderungsantrag zum Sozialgesetzbuch II geht es auch um Alleinerziehende sowie getrennt lebende Eltern. Diese würden durch das Nahles-Papier benachteiligt, kritisiert Asmus. Künftig könnte das Sozialgeld für ein Kind nicht mehr die Person vollständig erhalten, bei der sich das Kind vorwiegend aufhält, sondern auf beide Elternteile verteilt werden. Gesplittet nach den Tagen, die das Kind tatsächlich entweder bei der Mutter oder beim Vater verbringt. So jedenfalls steht es in den Formulierungshilfen für die Gesetzesänderung, die selbst in der Koalition heftig umstritten sind und daher nur mit spitzen Fingern angefasst werden.

Für Hartz-IV-Mütter – in neun von zehn Fällen ist der alleinerziehende Elternteil die Mutter – wäre das eine mitunter schmerzhafte Einbuße an Sozialgeld. Auch dann, wenn der Vater ein Arbeitseinkommen hat und selbst gar nicht auf Hartz IV angewiesen ist.

Der Vorstoß hat unter Fachleuten und Lobbygruppen Empörung ausgelöst, die Bundesarbeitsgemeinschaft der Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten hat einen offenen Brief an Nahles geschrieben. „Ein absurdes Verfahren, das die Alltagspraxis für alle Beteiligten erschweren wird“, heißt es in dem Schreiben: „Es gibt kein Einsparpotenzial bei alleinerziehenden Hartz-IV-Familien, denn sie gehören ohnehin schon zur ärmsten Gruppe unserer Gesellschaft.“

39 Prozent der Alleinerziehenden bekommen Hartz IV

In Euro bedeuten die vorgesehenen Änderungen: Pro Tag, den ein 6- bis 14-jähriges Kind nicht bei der Mutter verbringt, wird der Kleinfamilie das Sozialgeld um je 9 Euro gekürzt. Bei 14- bis 18-Jährigen wären es täglich 10,20 Euro weniger. „Das ist Verwaltung des Mangels“, kritisiert Asmus. 39 Prozent der Alleinerziehenden mit minderjährigen Kindern beziehen Hartz IV.

Nun mögen die Kosten beispielsweise für Essen geringer sein, wenn das Kind nicht da ist. Doch grundsätzliche Ausgaben für Miete, Strom, Heizung, Telefon bleiben unverändert. Solche Kosten hat der andere Elternteil natürlich auch. Es muss zwei Kinderzimmer geben, zwei Betten, Kleidung in beiden Haushalten, Spielzeug, Schulmaterial. Das allerdings ist bei den Hartz-IV-Sätzen bislang nicht ausreichend berücksichtigt.

Bei getrennten Paaren könnte die Kommunikation schwieriger werden, fürchtet der Juristinnenbund

„Solange für Kinder getrennt lebender Eltern im Sozialgeldbezug kein Umgangskinder-Mehrbedarf anerkannt wird, kommt es regelmäßig zu einer Bedarfsunterdeckung“, kritisiert der VAMV. Unbürokratisch formuliert: Der Hartz-IV-Satz für getrennt lebende Eltern muss höher sein.

Der Juristinnenbund erkennt ein weiteres Problem: Die bei vielen getrennten Paaren ohnehin schon angespannte Kommunikation könnte noch schwieriger werden. Zudem werde das gemeinsame Sorgerecht gegen finanzielle Interessen ausgespielt. Es sei zu befürchten, dass selbst jene Mütter, die sich jetzt unvoreingenommen das Sorgerecht mit dem Expartner teilen, das jetzt nicht mehr machen – aus Angst, noch weniger Geld zu haben.

Gesetz schürt Streit zwischen Elternteilen

Das missfällt auch Väterverbänden. Die Männer befürchten, ihre Kinder nicht mehr so häufig sehen zu können. „Was wir brauchen, ist eine Erfassung der Lebensrealität von Familien“, sagte Markus Witt vom Verein Väteraufbruch für Kinder.

Massive Kritik am Nahles-Papier kommt erwartungsgemäß von der Opposition. Mit der Gesetzesänderung „gefährdet die Bundesregierung weiterhin das Existenzminimum von Kindern alleinerziehender Eltern“, beklagt Franziska Brantner, familienpolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag. Zudem schüre das Gesetz „Streit zwischen den Elternteilen“. Alleinerziehende würden es sich unter diesen Umständen zweimal überlegen, ob sie den Umgang mit dem Vater ausweiten.

„Warum belasten Sie Alleinerziehende, die zu 40 Prozent voll oder ergänzend auf Hartz IV angewiesen sind, mit diesem Gesetz so enorm?“, fragt Matthias Birkwald, rentenpolitischer Sprecher der Linksfraktion. Das Änderungsgesetz, das eigentlich die Hartz-IV-Bürokratie verringern soll, soll am 1. August in Kraft treten.

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6 Kommentare

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  • 3G
    35730 (Profil gelöscht)

    Endlich die Debatte zum zentralen Thema der Trennungseltern. Umgang, Sorgerecht, Unterhalt sind faktisch nicht trennbar.

  • Das verstößt gegen das Kindeswohl, das aber Leitlinie unseres Familienrechts ist. Das Kind wird dadurch zum Kosten- und Streitfaktor konstruiert.

     

    Frau Nahlles braucht offenbar mehr Taschengeld, das sie sich eigentlich bei reichen Erben und einer gerechten Besteuerung von Firmengewinnen beschaffen sollte.

     

    Wird Zeit, daß die SPD endlich aus dem Bundestag rausfliegt.

  • Nicht aufregen. Das sind halt "Sozial" Demokraten.

  • Jetzt habe ich mich offenbar gründlich geirrt. Ich dachte, vor den Wahlen kommen die Hilfen für die Milchbauern und erst nach den Wahlen die Sozialkürzungen (die man wie gewohnt als angebliche Verbesserungen verkauft), damit alles bezahlt werden kann. Anscheinend will man aber nicht mehr abwarten, wie die Wähler abstimmen.

  • Auf dem Aufenthaltsbestimmungsrecht zu bestehen um auf der Basis dann großzügigen Betreuungsunterhalt einzuklagen, ist leider Realität und hat auch niemanden gestört, der jetzt mit diesem Argument auf die Barrikaden geht.

    Trotzdem wird die Reform falsch umgesetzt. Die Kosten für ein Kind getrennter Eltern ist höher als ein Kind, welches bei zusammen lebenden Eltern aufwächst. Das Steuerrecht besteuert aber die getrennt lebenden Eltern massiv höher und auch das Sozialrecht nimmt darauf keine Rücksicht. Es war daher eine Unverfrorenheit, dem Vater (oder Mutter) pro Besuchstag keinen entsprechenden Bedarf zuzurechnen. Dass dies nun korrigiert wird, ist absolut richtig. Auch die Väter (oder Mütter) haben Fixkosten, die mit den Tagesbeträgen nicht ansatzweise richtig abgedeckt sind.

    Der Protest geht daher in eine falsche Richtung. Die Beträge sind insgesamt zu niedrig, da die Trennungssituation nicht beachtet wird. Es sagt aber einiges über die Kinderfeindlichkeit der Interessensvertreterinnen aus, wenn sie sich nun darüber beschweren, dass die Väter nun wenigstens einen kleinen Teil der Kosten angerechnet bekommen. Wir brauchen einen Pendelzuschlag zum Hartz IV-Satz, der ersatzlos entfällt wenn Kinder nicht mehr beide Eltern sehen.

  • Aha, die deutschen sollen für ihre Renten mehr Kinder zeugen. Wer soll das bezahlen, wenn das Kindergeld bei Hartz 4 noch mehr gekürzt wird? Ach die sollen gar keine Kinder kriegen, Präkariat haben wir genug!?

    Schön wie deutlich die Politik doch endlich mal aussagt was sie meint, wenn auch nur im Handeln, natürlich nicht mit Worten, das könnte ja grausam aussehen. Darf doch keiner merken.