Gesetz in Litauen: Homosexualität in Schulen tabu
In Litauen wurde ein Gesetz zum Jugendschutz verabschiedet. Kritiker behaupten, Homosexuelle würden dadurch diskriminiert.
STOCKHOLM taz | Die Homophobie in Litauen treibt neue Blüten. In der vergangenen Woche verabschiedete das Parlament in Vilnius ein neues Jugendschutzgesetz, das in Zukunft die Debatte über ein Thema wie Homosexualität an Schulen und in anderen öffentlichen Einrichtungen, die für Kinder und Jugendliche zugänglich sind, verbietet. Das Gesetz mit dem Titel "Schutz der Jugend vor schädlichen Folgen öffentlicher Informationen" wurde mit einer Mehrheit von 67 der 74 ParlamentarierInnen verabschiedet.
Die Schilderung von Homosexualität wird darin auf eine Stufe gestellt mit der Darstellung "physischer und psychischer Gewalt" und der Vermittlung anderer Informationen, die "Angst und Schrecken wecken" oder "zu eigenem Missbrauch oder Selbstmord" führen könnten.
Mehrere DebattenrednerInnen verteidigten das Gesetz: Das Verbot, Homosexualität zu thematisieren, verhindere gleichzeitig eine Diskriminierung. "Es gilt sowohl, was Propaganda angeht, aber auch was eine Verurteilung betrifft", betonte die konservative Abgeordnete Vilija Aleknaite-Abramikiene.
Diese vermeintliche Neutralität sei nichts als eine Diskriminierung Homosexueller, meint Arturas Rudomanskis von der "Toleranten Jugend Assoziation" (Tolerantisko jaunimo asociacija). Er befürchtet weitreichende Auswirkungen des Gesetzes. Da Jugendliche leicht Zugang zu Gay-Webseiten finden könnten, werde der Staat womöglich versuchen, diese zu sperren.
Das neue Jugendschutzgesetz sei viel zu unbestimmt, kritisiert Henrikas Mickevicius vom Human Rights Monitoring Institute in Vilnius. Weder werde deutlich, was die "familiären Werte" seien, welche das Gesetz schützen wolle, noch was in Zukunft zur unzulässigen "Propaganda" gegen diese vermeintlichen Werte zählen solle: "Das Gesetz öffnet Scheunentore für einen Missbrauch. Es beschränkt die Freiheit der Meinungsäußerung und ist ein Verstoß gegen grundlegende Menschenrechte."
Mickevicius glaubt, dass das Gesetz beim Europäischen Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg landen werde. Die Homo-Organisation ILGA-Europe hat für Mittwoch in Brüssel zu Protesten vor der Vertretung Litauens bei der EU aufgerufen.
Amnesty International kritisierte das "homophobe Gesetz", das "die Meinungsfreiheit verletzt und Schülern die Unterstützung und den Schutz versagt, den sie benötigen könnten". An den scheidenden Präsidenten Valdas Adamkus appelliert Amnesty, das Gesetz nicht zu unterzeichnen.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Nach Taten in München und Aschaffenburg
Sicherheit, aber menschlich
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Comeback der Linkspartei
„Bist du Jan van Aken?“
Nach Absage für Albanese
Die Falsche im Visier
Klimaneutral bis 2045?
Grünes Wachstum ist wie Abnehmenwollen durch mehr Essen