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GesellschaftIm Zweifel den Kranken­wagen rufen!

Was passiert eigentlich, wenn ein junger Mensch Cannabis raucht? Wie schnell wird man süchtig, wie schwer ist es, davon loszukommen, welche Folgen hat der Konsum fürs Gehirn? Dazu ein Gespräch mit dem Drogenberater Hans Köpfle aus Tübingen.

Von Morena, Sofia, Abas und einem weiteren Schüler

Herr Köpfle, warum konsumieren Jugendliche Drogen?

Da gibt es ganz viele Gründe. Ein Grund ist, wenn es einem nicht so gut geht. Ein zweiter Grund kann sein, wenn Freunde, Freundinnen, Kumpels finden, Drogenkonsum ist super und dann will man da mitmachen, denn alle anderen machen's ja auch. Ein weiterer Grund ist, wenn es einem nicht so gut geht und man meint, Drogen könnten einen da ein bisschen wegbeamen und dann merkt man das alles nicht mehr so.

Wie fühlt man sich, wenn man Drogen nimmt?

Das ist völlig unterschiedlich. Das hängt von der Droge ab.

Wir meinen Cannabis.

Auch das kann unterschiedlich sein. Es gibt Menschen, die werden müde, andere werden aufgekratzt, die nächsten entspannt. Aber der entscheidende Punkt, weshalb wir klar sagen; Cannabis-Legalisierung erst ab 25 Jahre und nicht früher: Vor 25 ist die Gehirnentwicklung noch nicht abgeschlossen. Und wenn man diesem Gehirn Dinge von außen zuführt, wie zum Beispiel Cannabis, dann verändert sich das Gehirn dabei so, dass das langfristige Auswirkungen haben kann – auf Aufmerksamkeit, auf Konzentration. Es kann Krankheiten auslösen wie Psychosen, dass man also irgendwelche Wahnfantasien kriegt. Je jünger jemand ist, desto stärker kann das passieren. Bei uns in der Beratungsstelle haben wir circa 300 Menschen im Jahr, die abhängig sind von Cannabis und ohne nicht mehr klarkommen. Von den 300 hatten 299 ein Einstiegsalter zwischen elf und 17, da haben sie angefangen zu kiffen. Und die sind dann, wenn sie erwachsen sind, irgendwann richtig abhängig davon. Ein einziger hat mit 27 angefangen und wurde dann abhängig. Wer als Jugendlicher regelmäßig kifft, der läuft Gefahr, abhängig zu werden.

Was kann man tun, um Jugendliche davon abzuhalten, Drogen zu nehmen?

Das ist eines unserer Ziele. Wenn Schulen regelmäßig Präventions-Veranstaltungen im Unterricht machen, dann kann man darüber aufklären. Es gibt eine Internetseite, die heißt „Feel ok“, da könnt ihr als Jugendliche, da können eure Lehrer draufgucken. Ein Vorurteil, das wir immer hören ist, dass Jugendliche uns sagen, na ja, es kiffen doch alle. Das stimmt nicht. Und ich glaube, wenn man das in Schulklassen wie bei euch zum Beispiel, Aktionen macht, dass das schon dazu führen kann, dass einige die Finger davon lassen.

Wie viele Menschen haben in den letzten zehn Jahren Cannabis konsumiert in Deutschland?

Das kann ich so nicht auswendig sagen. Viele. Wir gehen davon aus, dass aktuell circa zwei Prozent der Menschen in Deutschland abhängig sind. Und konsumiert haben bestimmt so 20 Prozent, sind aber nicht unbedingt abhängig. Und wir nehmen eine deutliche Zunahme wahr beim Cannabiskonsum in den letzten Jahren. Übrigens ist der Konsum von Kokain auch stark gestiegen.

An welchen illegalen Drogen sterben die meisten Menschen?

Bei der Sterblichkeit sind die Opiate vorne dabei, weil da die Überdosis relativ schnell erreicht werden kann. Zum Beispiel Heroin. Ein wichtiger Aspekt bei der Sterblichkeit von egal was, ist das Mischen. Also wenn ich Alkohol und Tabletten gemeinsam nehme. Ich kann natürlich sagen: Lasst die Finger davon, von Cannabis zum Beispiel bis ihr 25 seid. Aber ich weiß, es hilft wenig, wenn ich das einfach so sage. Aber was ich gern sage: Bitte seid vorsichtig. Achtet bitte in der Gruppe darauf, dass immer einer klar bleibt. Und wenn es einem schlecht geht, dann ruft den Krankenwagen. Nicht über die 110, sondern immer über die 112. Da kommt in der Regel keine Polizei dazu. Lieber zehn mal anrufen und es ist vielleicht nix passiert, als einmal zu wenig.

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