Geschönte Prüfung von US-Banken: Ganz entspannt zum Stresstest
Die Institute haben nach Medienberichten dafür gesorgt, dass die Ergebnisse geschönt wurden. Angeblich wurde nicht die volle Höhe des Kapitalbedarfs genannt.
1. Was war das Ziel des Stresstests für US-Banken?
Die Bankenaufsichtsbehörden wollten herausfinden, ob und wie gut die Bilanzen der US-Banken aussähen, wenn die Wirtschaft noch stärker schrumpft. Während eines 45-tägigen Prüfungsverfahrens untersuchten mehrere hundert Mitarbeiter von Finanzministerium, Notenbank und Bankenaufsicht die Bücher von 19 Kreditinstituten.
2. Wie funktionierte der Test?
Durchgerechnet wurden zwei Szenarien und ihre Auswirkungen auf die finanzielle Stabilität der Geldhäuser. Das "Grundszenario" ging von den wirtschaftlichen Prognosen vom Februar aus. Dazu gehören ein Rückgang des Bruttoinlandsprodukts (BIP) um 2 Prozent im laufenden Jahr, eine Arbeitslosenquote von 8,4 Prozent dieses Jahr und 8,8 Prozent im Jahr 2010 sowie den Rückgang der Immobilienpreise um 14 Prozent. Das "ungünstige" Szenario unterstellte einen Rückgang des BIP um 3,3 Prozent, eine Arbeitslosenquote von 8,9 Prozent in diesem und 10,3 Prozent im nächsten Jahr sowie einen Verfall der Immobilienpreise um 22 Prozent. Aus diesen Szenarien wurde der Kapitalbedarf der Institute für die nächsten beiden Jahre berechnet.
3. Welche Bank fiel durch?
Die US-Regierung hat bei zehn Banken einen Kapitalbedarf von 74,6 Milliarden Dollar festgestellt. Dies sind: Bank of America (33,9 Milliarden Dollar), Wells Fargo (13,7), GMAC (11,5), Citigroup (5,5), Regions (2,5), SunTrust Banks (2,2 ), Morgan Stanley (1,8), KeyCorp (1,8), Fifth Third (1,1), PNC Financial (0,6). Neun Banken haben keinen Kapitalbedarf: American Express, Bank of New York, BB&T, Capital One, Goldman Sachs, JPMorgan, MetLife, State Street und US Bancorp.
4. Was sollen die Banken mit dem Testergebnis anfangen?
Die Banken, deren Kapital nicht ausreicht, haben ein halbes Jahr Zeit, um Kapital von Privatinvestoren aufzutreiben. Schaffen es die Banken nicht, können sie Staatshilfen beantragen.
5. Ging es nur um die Überprüfung des Kapitalbedarfs?
Es ging auch um Vertrauen in die Finanzbranche, die sich mit riskanten Geschäften in die Bredouille gebracht hat, auf faulen Hypothekenanleihen sitzt und Milliarden abschreiben muss. US-Finanzminister Timothy Geithner sagte vergangene Woche, der Stresstest werde helfen, "die Wolke der Unsicherheit, die über dem Bankensystem hängt, durch Transparenz und Klarheit von beispiellosem Niveau zu ersetzen". THILO KNOTT
Nicht solide Berechnungen, sondern ein Geschacher zwischen Banken und Aufsichtsbehörden bestimmen die Ergebnisse der Belastungstests von 19 führenden US-Banken, die am vergangen Donnerstag vorgestellt wurden. Das berichtete das Wall Street Journal am Wochenende unter Berufung auf informierte Kreise. Demnach wurden die bei der Prüfung durch die US-Notenbank Fed festgestellten Kapitallücken nach Protesten der betroffenen Banken massiv reduziert.
Die Ergebnisse der staatlichen "Stresstests" hatten am Freitag für steigende Kurse bei den Bankenaktien gesorgt, weil der zusätzliche Kapitalbedarf der Banken geringer ausfällt, als von vielen befürchtet wurde. Demnach benötigen zehn der untersuchten Großbanken knapp 75 Milliarden Dollar zusätzliche Mittel, um auch bei einer ungünstigen wirtschaftlichen Entwicklung ihre Fähigkeit zu erhalten, Kredite vergeben zu können. Doch Analysten kritisierten das Ergebnis des Stresstests als geschönt, weil die Fed die aktuelle Kapitalausstattung mit zu optimistischen Verfahren berechnet habe. Analysten der Firma RBC Capital Markets beziffern den tatsächlichen Kapitalbedarf der Banken fast doppelt so hoch, wie der Stresstest vermuten lässt - und zwar auf 143 Milliarden Dollar.
Laut Wall Street Journal konnten einzelne Großbanken bei der Fed massive Abschläge für ihre zusätzliche Kapitalbeschaffung durchsetzen, nachdem sie von den vorläufigen Ergebnissen unterrichtet wurden. So wurde die Kapitallücke der Bank of America von mehr als 50 Milliarden US-Dollar auf 33,9 Milliarden Dollar nach unten korrigiert. Die ehemals weltgrößte Bankengruppe Citigroup konnte den laut Stresstest nötigen Kapitalbedarf von 35 Milliarden Dollar auf 5,5 Milliarden Dollar nach unten drücken.
Zudem habe die US-Regierung nach Informationen der Financial Times den Banken zugestanden, dass die Kapitalaufstockung noch geringer als gefordert ausfallen dürfe - sofern sich die Einnahmen der Banken im Lauf der nächsten sechs Monate positiver als angenommen entwickeln sollten. Die US-Finanzbehörden lehnten am Wochenende ab, die Berichte zu kommentieren.
US-Finanzinvestor George Soros kritisierte, der Stresstest sage nichts über die gegenwärtige Verfassung der Banken aus. Er befürchte, dass das gesamte Bankensystem insolvent sei, sagte Soros nach Veröffentlichung der Ergebnisse.
Große Gefahr geht von den billionenschweren riskanten Anlagen in den Bilanzen der Banken aus: Kreditbriefe, Hypothekendarlehen und Forderungen auf Kreditkarten haben massiv an Wert verloren, seitdem immer mehr US-Verbraucher ihre Schulden nicht mehr zurückzahlen können. Solange die Banken diese "toxischen" Papieren nicht loswerden, ist ihre Fähigkeit zur Kreditvergabe eingeschränkt.
US-Finanzminister Timothy Geithner will die Banken davon befreien, indem sie ihre Schrottpapiere mit Staatshilfe an private Investoren versteigern sollen. Zudem hat die US-Regierung die Bilanzierungsregeln so gelockert, dass die Schrottpapiere nun zu einem fiktiven Wert bilanziert werden - obwohl ihr tatsächlicher Marktwert zurzeit eher bei null liegt.
Auch innerhalb der US-Regierung wird die Aussagekraft der Tests mittlerweile offen infrage gestellt. Sheila Bair, Chefin des US-Einlagensicherungsfonds FDC, bezweifelt mittlerweile, dass die Schieflage des US-Bankensystems mit den von Finanzminister Timothy Geithner nun verordneten Finanzspritzen überwunden werden kann. So blieb Bair am vergangenen Freitag dann auch der Vorstellung der Ergebnisse des Stresstestes fern. Die laut Forbes "zweitmächtigste Frau der Welt nach Angela Merkel" fordert eine härtere Gangart, einschließlich der Schließung von Großbanken: "Meine Behörde steht bereit, auch systemrelevante Banken abzuwickeln", sagte Bair. Im schlimmsten Szenario der Krisensimulation drohe den Banken bis Ende 2010 weitere Verluste über 599 Milliarden US-Dollar.
Doch selbst das ist optimistisch gerechnet, wenn man die Berechnungen des Internationalen Währungsfonds zugrunde legt. Der IWF beziffert den erwarteten Gesamtverlust der US-Banken auf 2.700 Milliarden Dollar. Zudem hat die Realität einige Indikatoren des "Worst case"-Szenarios der US-Regierung bereits überholt. So wurde die im Stresstest unterstellte Arbeitslosenquote von 8,9 Prozent bereits im April erreicht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Vieles deutet auf radikal-islamfeindlichen Hintergrund hin
Keine Konsequenzen für Rechtsbruch
Vor dem Gesetz sind Vermieter gleicher
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen