Geschichte: Goethe in Bremen und Dachau
Bremer Künstler, die selbst im KZ noch Theater spielten, hatten im Nachkriegsbremen einen schweren Stand. Anderswo konnten sie Karriere machen.
BREMEN taz | Das Bremer Theater gibt sich geschichtsbewusst. Als am Goetheplatz im vergangenen Jahr der hundertste Geburtstag gefeiert wurde, war durchaus die Rede vom Nationalsozialismus. Vergessen geblieben sind dabei aber einige Menschen, die in Konzentrationslager gesteckt wurden und sich selbst da noch um die Kultur verdient gemacht haben. Namen wie Edgar Bennert oder Max Burghardt tauchen in den offiziellen Darstellungen des Theaterlebens von Bremen bis heute nicht auf. Beide gehörten zum Ensemble des Bremer Stadttheaters, beide waren im KZ und beide haben nach dem Krieg anderswo Karriere gemacht. Warum ging die Erinnerung an diese eng mit den Hansestädten verbundenen Männer und Frauen des Widerstands verloren?
Edgar Bennert war vor 1933 ein prominenter Schauspieler. Er war auch Kommunist und hat als Chefredakteur für die Bremer Arbeiterzeitung gearbeitet, eine Tageszeitung der KPD. Dafür wurde er schon vor der Machtübertragung an die Nationalsozialisten mehrfach mit Prozessen überzogen und verurteilt. Er leitete die legendären „Blauen Blusen“, eine Bremer Agitprop-Gruppe der Partei.
Bereits 1933 haben die Nazis ihn ins KZ Mißler in der Findorffstraße gesperrt. Später war er auch in Esterwegen und Sachsenhausen. Unter den schwierigsten Bedingungen und oft illegal setzten politische Künstler auch hier die kulturelle Überlebensarbeit fort. Bennert spielte im KZ den Faust. Und er leitete die Häftlingsbibliothek als Keimzelle des Widerstands.
Die Konzentrationslager waren als Einrichtung der Ausbeutung und Vernichtung zugleich Orte, in denen neben Goethe auch Beethoven und Mozart auf dem Programmzettel standen. Es erklang gelegentlich entartete Musik, es wurde zum Swing oder Jazz getanzt. Draußen waren die „Nigger-Gesänge“ verboten.
Die Konzentrationslager waren gewiss kein „Konzertlager“. Im NS-Kabarett hat man die Lager so genannt: dort würden den „Querpfeifern“ die rechten Töne beigebracht. Aber dennoch: Völlig ausgelöscht waren Musik und Literatur dort nicht. Fast jedes KZ hatte ein Orchester und eine Bibliothek. Die Häftlinge konnten die verbrannten Bücher der deutschen Dichter und Denker lesen und „entartete“ Musik von Schönberg hören. Für die Häftlinge eine geringe Chance, an ihren eigenen Ideen und Fähigkeiten festzuhalten und psychisch zu überleben. Ein Versuch der Gequälten, ihren Mut zu stärken und den Kampf gegen den Faschismus auch und gerade im KZ so lange wie möglich zu führen.
Nach der Befreiung kam kein Ruf aus Bremen. Aber Bennert wurde Intendant des Mecklenburgischen Staatstheaters in Schwerin. In der BRD wurde er zumindest gespielt: 1955 gastierte er mit seiner Inszenierung des „Teufelskreises“ von Hedda Zinner in elf westdeutschen Städten. Warum nicht in seiner alten Wirkungsstätte Bremen? Im Senat herrschte damals ein Schweigepakt zwischen den bürgerlichen Fraktionen und der SPD. Die eigenen Fehler und die Kooperationen mit den Nazis sollten nicht thematisiert werden. Und eben das tut dieses Stück.
Bennerts Freund und Genosse Max Burghardt hingegen kam nach Verfolgung und Zuchthaus zunächst nach Bremen zurück – auf eigene Faust. Als Schauspieler, Regisseur, Theaterleiter und Kulturpolitiker gehörte er zu denen, die das Theaterleben hier wieder aufbauten. Seine Position ist im Aufbau nachzulesen, einer Zeitung der Bremer Kampfgemeinschaft gegen den Faschismus: „Aus tiefer Not geboren, dient das Theater der Milderung der Not und der Herstellung der Wahrheit“, schrieb Burghardt im September 1945. Auf ein Angebot aus Bremen wartete der Kommunist Burghardt vergeblich.
Andernorts hatte er mehr Glück: Der prominente Theatermann überlebte für kurze Zeit ab Mai 1946 mit Hilfe der britischen Besatzungsmacht als „Roter Intendant“ am Kölner Sender, dem Vorläufer des WDR. Im Osten dann wurde er 1947 Intendant der Leipziger Bühnen, bevor er den ehrenvollen Ruf als Leiter der Deutschen Staatsoper in Berlin erhielt und Präsident des Kulturbundes wurde.
Doch in in Bremen, wo sie vor der Haft gelebt und gearbeitet haben, erinnert nichts an diese Menschen. Kein Straßenname, nicht mal eine kleine Ehrentafel, hält die Erinnerung an sie fest.
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