La Repubblica: Geschichte eines Zwitters
■ Mischung aus seriöser Tageszeitung und Boulevardblatt
Noch immer, zwanzig Jahre nachdem er sie gegründet hat, hält Eugenio Scalfari die Zeitung, die heute 600.000 Exemplare täglich verkauft, fest im Griff. Wenn er zur „Messe“, das heißt zur Redaktionskonferenz ruft, beeilen sich auch die altgedienten Redakteure. Ex-Ministerpräsident Giulio Andreotti, den Scalfaris treffsichere Kritik immer verfolgte, bezeichnete ihn einmal als den geschicktesten unter den journalistischen „Trüffelhunden“. Er schätzte es allerdings gar nicht, daß Scalfari auch das „politische Orchester“ dirigieren wollte. Heute ist der 72jährige zur intellektuellen Instanz des italienischen Journalismus geworden.
La Repubblica ist Scalfaris Geschöpf. Das Blatt gewann in den achtziger Jahren enormen politischen Einfluß. Aber wie der „direttore“, so legte sich auch seine Zeitung nie auf eine politische Linie fest. Scalfari sympathisierte mal mit den Sozialisten, mal mit der Partei der Radikalen. Er war mit dem Christdemokraten Ciriaco de Mita befreundet, aber auch mit dem Kommunisten-Chef Enrico Berlinguer. Er selbst bezeichnet sich als „linker Liberaler“.
Mit La Repubblica revolutionierte Scalfari in den siebziger Jahren den Stil der italienischen Tageszeitungen. Die Artikel waren lang, aber amüsant geschrieben. Eine gute „story“ zählte mehr als trockene Information. Fakten und Meinung wurden sorglos vermischt. Die täglichen Intrigen der eigenen Politiker galten häufig mehr als der Regierungssturz in einem Nachbarland.
Kurz: La Repubblica war ein Zwitter aus seriöser Tageszeitung und buntem Wochenmagazin. Scalfari, der 30 Jahre lang bei Wochenzeitungen gearbeitet und 1955 das Wochenmagazin L'Espresso mitgegründet hatte, prägte eine neue Form der Tageszeitung. Der Erfolg dieses Konzepts war so durchschlagend, daß es bald auch die Konkurrenz kopierte.
Jetzt will Scalfari einen neuen Kurs einschlagen. Die Italiener halten ihre Tageszeitungen heute für wenig glaubwürdig. Die Auflagen sinken. Deshalb soll aus La Repubblica nun eine ganze normale Tageszeitung werden. Michaela Namuth
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