■ Mit Warenterminhandel auf Du und Du: Geschäft seit der Antike
Hamburg (taz) – Ein „Zockerodium“ umweht die Warentermingeschäfte in Deutschland, klagt das Kundenmagazin der Sparkassen. Mitschuld am miesen Image tragen Finanzverkäufer, die hierzulande in den Achtzigern fleißig Kontrakte für amerikanischen Weizen oder Kakao aus Kamerun verscherbelten, ohne die Anleger auf die Risiken hinzuweisen – die später auch prompt eintrafen.
Immerhin reicht die Zockertradition tief in die Menschheitsgeschichte zurück. Schon Aristoteles beschreibt in „Politik“ etwa 350 vor Christi den Warenterminspekulanten Thales von Milet, der aufgrund seiner astronomischen Beobachtungen eine reiche Olivenernte voraussah und deshalb sein weniges Geld in die Pacht von Ölpressen investierte. Als dann eine üppige Ernte sproß, vermietete Thales die Ölmühlen teuer weiter.
In Holland sind Warentermingeschäfte mit Tulpen bereits im 17. Jahrhundert bekannt. In Deutschland waren sie dagegen von 1896 bis 1970 vollständig verboten – eine Reaktion auf die Praxis des 19. Jahrhunderts, als Saatgut häufig mit Vorschüssen auf die kommende Ernte bezahlt wurde. Weil das oft nicht klappte und auch Junker dabei Geld verloren, wurde in das Börsengesetz ein entsprechender Paragraph aufgenommen. Die Investoren wichen nach Amsterdam, London oder Chicago aus. 1974 untersagte die SPD-FDP-Regierung den Terminhandel mit Schweinehälften und Kartoffelernten. Erst am Ende der achtziger Jahre revolutionierte die Kohl- Regierung den Finanzplatz Deutschland, und seit 1994 existieren die rechtlichen Voraussetzungen für eine Warenterminbörse. Den Kanzler dürften allerdings andere Motive geleitet haben als ehedem Thales. Der hatte lediglich zeigen wollen, daß es für Philosophen ein Leichtes sei, reich zu werden. Hermannus Pfeiffer
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