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„Gesamtdeutsches Problem“

Stasi-Ausstellung stellt die deutsch-deutsche Grenze in den Mittelpunkt  ■ Von Elke Spanner

Zwei normale Reisekoffer liegen auf der Gepäckablage, würde man meinen, wäre an ihrer Unterseite nicht eine Glasplatte eingebaut. Dahinter, eingezwängt: eine Puppe in der Lebensgröße einer Frau. Ein Franzose, klärt die Schautafel auf, schmuggelte so seine Freundin im Zug aus der DDR heraus. 1,70 Meter war sie groß, 65 Kilo schwer, das ging.

Schmunzelnd steht Christian Ladwig vor den Exponaten. „Die Grenze“, sagt der Mitarbeiter der Berliner Gauck-Behörde, „ist natürlich auch ein wichtiges Thema“. Es ist das Thema, das die ZuschauerInnen auf der gestern eröffneten Ausstellung „Staatssicherheit – Garant der SED-Diktatur“ wie ein Magnet auf sich zieht. Hier hat das Böse ein Gesicht. Da ist der nachgebildete Grenzbaum beispielsweise, mit Stacheldraht versehen, der Bedrohung empfinden lässt. Oder das Flugzeug, das ein DDR-Bürger selbst für die Flucht konstruierte – „wie verzweifelt muss der gewesen sein“, raunen sich zwei JournalistInnen mitleidig zu.

Der Abscheu, der durch den Namen des DDR-Geheimdienstes herkömmlicherweise hervorgerufen wird, kann sich nicht allein über die Beschreibung seiner Spionage-Aktivitäten entwickeln. Denn viele Methoden der Stasi wurden und werden auch von westlichen Geheimdiensten praktiziert: Das Einschleusen von verdeckten Ermittlern in politisch oppositionelle Gruppen, die geheime Aktenführung über Menschen. In der DDR war die Stasi aber auch in die Grenzsicherung mit eingebunden: Sie kontrollierte seit 1968 an der deutsch-deutschen Grenze Reisende, viele Fluchten wurden schon im Vorfeld von der Stasi verhindert.

Hier setzt die Ausstellung deshalb schwerpunktmäßig an: Zwar beschreibt sie auch das Eindringen des Geheimdienstes in die engsten Privatbereiche. Die spektakulären Exponate aber zeigen die Unüberwindbarkeit der Grenze und zeugen von der Verzweiflung der DDR-Bürger darüber.

Seit 1995 reisen MitarbeiterInnen der Gauck-Behörde mit der Ausstellung durch die Bundesrepublik und ins europäische Ausland. In 25 Städten wurde sie bereits gezeigt, ehe sie gestern in der Evangelischen Akademie in der Esplanade eröffnet wurde. Die InitiatorInnen hoffen vor allem auf viele Schulklassen als Besucher, weil „in Schulbüchern bisher nur wenig über die Stasi zu finden ist“, sagt Ladwig. Dabei sei deren damalige Existenz ein „gesamtdeutsches Problem“. Denn auch in der BRD waren rund 20.000 MitarbeiterInnen des Ministeriums für Staatssicherheit unterwegs, „die Stasi hatte in allen Geschäften ihre Finger drin“. Allein die Berichte über Hamburg füllen 15 laufende Meter Akten, teilt Ladwig mit. Wieviele bundesdeutsche Spione sich damals in der DDR aufhielten, sagt die Ausstellung nicht.

Die Ausstellung ist noch bis zum 17.9. zu sehen, montags bis freitags von 8 bis 18 Uhr, samstags und sonntags von 11 bis 17 Uhr. Eintritt frei

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