Gerichtsentscheidung zu Kiezblock: Die Poller können stehen bleiben
Punktsieg für die Verkehrswende: Das Oberverwaltungsgericht schätzt den Kiezblock-Modalfilter in der Tucholskystraße als „nicht rechtswidrig“ ein.
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Vor einem guten Jahr hatte das Bezirksamt Mitte im Zusammenhang mit einem „Kiezblock“-Beschluss der Bezirksverordnetenversammlung die Tucholskystraße zwischen Oranienburger und Torstraße in eine Fahrradstraße umgewandelt und entsprechend markiert. Um den motorisierten Durchfahrtsverkehr aus der Straße herauszuhalten, der von vielen AnwohnerInnen seit Langem beklagt wurde, wurde zudem die Kreuzung Tucholksy-/Auguststraße mit einer diagonalen Pollerreihe ausgestattet. Dadurch müssen von Norden kommende Autofahrende auf die Auguststraße nach Westen, von Süden kommende nach Osten abbiegen.
Entgegen anderslautender Schlagzeilen ist die Tucholskystraße damit keineswegs „für den Autoverkehr gesperrt“. Nur die abkürzende Durchfahrt zwischen zwei Hauptverkehrsstraßen wird durch den Modalfilter unterbunden. Aus Sicht von MobilitätsaktivistInnen sind Fahrradstraßen sogar ein viel zu schwaches Instrument gegen zu viele motorisierte Fahrzeuge, denn die weiterhin zugelassene Nutzung durch „Anliegerverkehr“ schließt eine Menge legitimer Gründe ein und lässt sich darüber hinaus schwer kontrollieren.
Hatte das Bezirksamt bei der Anordnung der Maßnahmen argumentiert, dass die Fahrradstraße mehr Sicherheit für alle Verkehrsteilnehmenden und eine höhere Lebensqualität bringe, äußerte das Verwaltungsgericht im Juli „ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit“ der Modalfilter: Für die sei eine „qualifizierte Gefahrenlage nicht dargelegt“ worden. Das OVG wiederum kann diese Zweifel nicht nachvollziehen – weshalb die Poller bis auf Weiteres stehen bleiben können.
„Politischer Wille fehlt“
„Das OVG erkennt die dargelegte Gefahrenlage, und das ist gut“, kommentiert Ragnhild Sørensen, Sprecherin des Vereins Changing Cities, die revidierte Eilentscheidung. Sobald die novellierte Straßenverkehrsordnung (StVO) in Kraft trete, erledige sich ein solcher Rechtsstreit vermutlich ohnehin: „Die Anordnung einer Fahrradstraße könnte dann aus Gründen des Klima- und Gesundheitsschutzes sowie der städtebaulichen Entwicklung erfolgen.“ Für Sørensen der Beleg, dass es „weniger die Gesetze sind als der fehlende politische Wille, der die Verkehrswende in Berlin ausbremst“.
Die StVO-Novelle passierte Anfang Juli den Bundesrat. Um in Kraft zu treten, muss sie allerdings noch im Amtsblatt verkündet werden.
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