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Gereimte Bausteine

Deutsche Traurigkeit für Nippons Wohnstuben: 10 Jahre Marsh-Marigold-Label  ■ Von Christian Buß

Gitarrenpopper sind nicht so zimperlich wie ihr Ruf. Bei den Feierlichkeiten zum 10. Geburtstag des Hamburger Labels Marsh-Marigold, bei dem Vorzeige-Sensibelchen wie Busch unter Vertrag stehen, im letzten Sommer wurden jedenfalls sämtliche Biervorräte der Markthalle weggetrunken. Das gab es noch nie in der Geschichte des Hauses, obwohl hier sonst Metaller und andere ausgewiesene Hefe-Fans gastieren. Ob da nur einer vergessen hatte, Getränke beim Großlieferanten nachzubestellen, oder ob das Trinkverhalten der Marsh-Marigold-Mischpoke tatsächlich so monströs ist – die Geschichte belegt, daß Wimp-Popper unnachgiebiger sein können, als ihre meist traurig hängenden Schultern suggerieren.

Auch Oliver Goetzl ist eine sanfte Gestalt mit enormem Durchsetzungsvermögen. Seit über einer Dekade betreibt er Marsh-Marigold nun schon als Ein-Mann-Unternehmen aus einem Souterrain in Hamburg-Iserbrook – und bringt ganz nebenbei seine Tonträger in einer Auflagenstärke heraus, von dem sehr viel aufwendiger betriebene Labels nur träumen dürfen. Auf einen Vertrieb verzichtet er dabei, schließlich geht stets ein bestimmtes Kontingent direkt ins Ausland. In Japan zum Beispiel ist man ganz vernarrt in den Schrammelpop made in Germany. Und wenn Goetzl heute abend mit der schon traditionellen Parade in der Prinzenbar das Geschäftsjahr ausklingen läßt, wird auch das Team eines japanischen Fernsehsenders anwesend sein. Deutsche Traurigkeit mit angelsächsischem Anstrich in Nippons Wohnstuben – bei Marsh-Marigold rückt die Welt zusammen.

Für was das Label steht, zeigen The Groovy Cellar aus Berlin. Seit über eineinhalb Jahrzehnten arbeitet deren Kopf Olaf Schumacher nun schon an der Vollendung des Pop-Songs. Hier geht es nicht um Erneuerung, sondern um Verfeinerung. Dabei werden seit den Sechzigern bekannte harmonische Bausteine zur Illustration des eigenen Lebens inspiriert verrückt – „Shy Boy“ oder „Loner“ führen bei Schumachers Selbstbespiegelungen zu hübschen Reimen.

Ebenfalls aus Berlin reisen Spy in die Prinzenbar an, die ihren 60ies-Pop mit der großmännischen Geste der Tindersticks vortragen. Brideshead hingegen beziehen sich ganz klar auf die Britpop-Helden Orange Juice, reimen „arrogance“ auf „elegance“ – und zeigen, daß die Worte trotzdem nichts miteinander zu tun haben. Neben Mumbly aus Paris sowie dem Marsh-Marigold-Neuzugang Kristallin stehen noch die oftmals unterschätzten Soda Stream auf dem Programm, die während ihrer Konzerte schon mal die beiden unterschiedlichen Psychedelia-Entwürfe von The Clean und Spiritualized unter einen Hut bringen.

20 Uhr (pünktlich), Prinzenbar

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