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Gerechtigkeitssinn

■ Laurel und Hardy im Abaton

„Die Welt der Spießer entlarvt durch zwei Oberspießer.“ Auf diese griffige Formel hat der Filmkenner Georg Seeßlen das Werk von Arthur Stanley Jefferson und Oliver Norvell Hardy – besser bekannt als Stan Laurel und Oliver Hardy, Fat and Skinnie, Dick und Doof – gebracht. Das einzige, was sie „von dem Gros der bürgerlichen Monster und Matronen, die ihre Aggressivität hinter einer schäbigen Eleganz verbergen“, unterscheide, sei „ein fast kindlicher Gerechtigkeitssinn. Sie wollen für ihren Eifer belohnt werden, und sie wollen, daß Gemeinheiten nicht ungestraft bleiben.“

Ein bescheidener Anspruch, aber ungeheuer schwer zu realisieren. So haben Stan und Olli die Durchführung von Vergeltungsmaßnahmen zur hohen Kunst entwickelt: Wenn dem einen der Knopf von der Jacke gerissen wird, überlegt er erst sehr genau, wie eine angemessene Antwort darauf aussehen könnte. Die wiederum läßt der andere mit der Gelassenheit eines Aristokraten beim Duell über sich ergehen, ehe er erneut seinen Teil zur weiteren Eskalation beiträgt. Am Ende sind dann ganze Häuser oder Autoschlangen demoliert. Militärstrategen nennen so etwas flexible response. Filmhistoriker sprechen vom slowburn.

Der Produzent Hal Roach brachte 1927 die beiden Komiker, die ihre Kunst als Bühnenschauspieler erlernt hatten, zusammen. Neben vielen Kurzfilmen drehten sie einige abendfüllende Spielfilme und blieben auch nach der Einführung des Tonfilms populär. Ihre größte Stärke war jedoch die kurze, stumme Form. So ist es zumindest in der einen oder anderen Abhandlung zur Filmgeschichte nachzulesen.

Die Überprüfung dieses Urteils war bislang schwierig, da das Fernsehen selbst die Kurzfilme noch weiter zu einem „Best of“-Remix verhackstückte. Manch einer erinnert sich vielleicht noch an die Sechziger-Jahre-Sendung Es darf gelacht werden mit Werner Schwier. Aber wer kann sich erinnern, jemals einen vollständigen „Dick-und-Doof-Film“ gesehen zu haben?

Der Kinowelt-Filmverleih setzte 1988 diesem Mißstand ein Ende, indem er fünf abendfüllende Spielfilme und 45 Kurzfilme in ungekürzten Originalfassungen herausbrachte. Das Abaton zeigt jetzt eine Auswahl aus diesem Programm. Eine seltene Gelegenheit, um dann beim nächsten Stirb langsam- Abenteuer angesichts der kostspieligen Pyrotechnik leicht gelangweilt gähnen und ehrlicherweise sagen zu können: „Hab ich doch alles schon bei Laurel und Hardy gesehen.“ Das macht Eindruck, ehrlich.

Hans-Arthur Marsiske

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