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Gerechtigkeit im Prozeß

■ Frankfurts OLG eröffnet trotz Gutachtenstreits das Verfahren gegen Chemiemanager

Gerechtigkeit im Prozeß Frankfurts OLG eröffnet trotz Gutachtenstreits das Verfahren gegen Chemiemanager

Mit Umweltskandalen tut die deutsche Justiz sich schwer. Regelmäßig enden Verfahren um Umweltskandale und die Vergiftung von Bürgerinnen und Bürgern im Gutachterstreit — mit häufig magerem juristischem Ergebnis. Dennoch dürfen Richter und Staatsanwälte nicht aufgeben, sollen Umweltsauereien nicht im sonst vielbeschworenen rechtsfreien Raum verschwinden.

Vorzeitig aufgegeben hatte im Sommer 1990 die Frankfurter Umweltstrafkammer. Nach fünf Jahren staatsanwaltlicher Mühen gegen diverse Holzschutzmittelproduzenten befand sie nur knapp: nicht ausreichend. Ihr Hauptargument war: Solange Wissenschaftler sich über die Giftigkeit der Holzschutzmittel stritten, könne keine gerichtliche Hauptverhandlung eröffnet werden.

Jetzt hat das vorgesetzte Oberlandesgericht die Frankfurter Umweltrichter bei der Nase genommen und so den Strafprozeß als Mittel des Umweltrechts gerettet. Das OLG mochte sich in der Rechtsfindung vom Wissenschaftlerstreit nicht aufhalten lassen. Ihm reichte aus, daß „hinreichend wahrscheinlich“ ein Zusammenhang zwischen Gift und Krankheit hergestellt werden könnte. Die Frage, ob das zur Verurteilung ausreiche, sei eben im Prozeß zu klären. Diese Klarstellung war dringend notwendig. Hätte das Diktum der Frankfurter Umweltrichter Bestand gehabt, hätte jeder Industriezweig sich künftig nur noch einen Gutachterstall halten müssen und wäre aller strafrechtlichen Sorgen entledigt, da es kaum zu Prozessen gekommen wäre. „Finde einen Gutachter, und Deutschlands Richter kapitulieren“, hätte zum geflügelten Wort der Chemieindustrie werden können.

Pervertiert worden wäre damit der Gedanke des Strafprozesses an sich. Die Hauptverhandlung mit Anklage und Verteidigung, Zeugenaussagen und Gutachterstreit ist einmal als Fortschritt der Rechtskultur eingeführt worden. Um der juristischen Wahrheit näher zu kommen, sollten Anklage und Verteidigung in der Verhandlung widerstreiten, sollten Zeugen und Gutachter aussagen. Nicht mehr trockene, auch manipulierbare Akten sollten über das Schicksal des Angeklagten entscheiden. Die Erkenntnis der Reformer damals: Die Aktenlage ist immer die Lage der Herrschenden. Und heute: Würden Umweltverfahren wegen eines Gutachterstreits erst gar nicht eröffnet, entschieden wieder nur die Akten der Herrschenden — ein Rückfall in überwunden geglaubte Zeiten. Hermann-Josef Tenhagen

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